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Kultur

Queere Operette

Viele Bücher beschäftigen sich mit der Rolle von Homosexualität im Film, in der Literatur und in der Oper. Noch nicht so viel erforscht wurde bislang die Operette. Dabei interessieren sich überdurchschnittlich viele Homosexuelle für diese Kunstform. Dieses Buch setzt sich mit dem queeren Potenzial der Operette und ihren schwulen Verehrern auseinander. Herausgegeben wurde es von Kevin Clarke, Direktor des Operetta Research Center in Amsterdam. Für ihn ist die Operette kein „sinnfreies Hupfdohlen-Entertainment“, sondern eine ernstzunehmende Kunstform. Clarke möchte die Operette vom angestaubten Image befreien. Daher geht es in diesem Buch auch darum, wie sich Theatermacher*innen auf die anarchisch-queeren Ursprünge der Operette zurückbesinnen. Denn in der Vergangenheit hatte die Operette revolutionäre Züge, wie der Beitrag über Cross-Dressing in der Wiener Operette zeigt. So wurden in vielen Stücken der Wiener Operette von 1860 bis 1936 die traditionellen binären und patriarchalen Geschlechterrollen auf den Kopf gestellt. Viele Komponist*innen liebten das doppeldeutige und damals gewagte Spiel mit Geschlechtern. Da fingen nicht nur „die nach Abenteuern gierenden Heterosexuellen im Publikum“, sondern auch die versteckten Schwulen und Lesben zu schmelzen an, heißt es in dem Buch. Die Operette sei für sie in der Identifikation mit den Darsteller*innen ein Liebesersatz gewesen. Der Beitrag „Keiner bläst so gut wie du“ beschäftigt sich mit der „Operette für zwei schwule Tenöre“. Das 2021 uraufgeführte Stück gilt als weltweit erste queere Operette. Die Handlung dreht sich um schwule Liebe und Sex, Stolz und Selbstzweifel sowie die Unterschiede zwischen der Szene in der Großstadt und der Idylle auf dem Land

Kevin Clarke (Hrsg.): Glitter and be gay – die authentische Operette und ihre schwulen Verehrer. Männerschwarm Verlag, Berlin 2025.

Von Christian Höller

Christian Höller ist Psychotherapeut und hat eine Praxis in Wien.