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Queere Geschichte

Der Titel des Buches kann die Erwartungen nur teilweise erfüllen. Denn für eine Weltgeschichte der Queerness bräuchte es viele Bände mit Beiträgen von unterschiedlichen Expert*innen. Doch das vorliegende Buch wurde von einem einzelnen Autor, Dino Heicker – einem promovierten Literaturhistoriker aus Deutschland – geschrieben. Auch die in dem Buch vorgenommene Auswahl an queeren Themen hängt einzig und alleine mit den Kenntnissen des Autors zusammen. So liegt das Hauptaugenmerk auf Europa und Nordamerika. Heicker beginnt seinen Streifzug mit den biblischen Städten Sodom und Gomorrha sowie der griechischen Mythologie. Er zeigt am Beispiel von Gottheiten die Queerness im antiken Griechenland auf. Da gibt es den Göttervater Zeus (polymorph pervers oder pansexuell), die Jagdgöttin Artemis (keusch oder asexuell), Herakles (Halbgott im Fummel) und Hermaphroditos (inter*). Heicker schreibt anschließend über orientalische Sinnlichkeit, die Gärten der Lüste im Fernen Osten, Queeres und Ketzer im Mittelalter, die Renaissance, die Sinneslust im Barock. Interessant sind seine Ausführungen über den islamgeprägten Raum. Dort waren „die Menschen im Mittelalter queeren Sexualitäten gegenüber aufgeschlossener als im Christentum“, schreibt der Autor. So seien im Islam verschiedene Sexratgeber entstanden, die auch Homoerotik beinhalteten. Weitere Kapitel beschäftigen sich mit der Romantik, dem bürgerlichen Zeitalter und der Ära der sexuellen Revolution. Mit 30 Seiten ist das Literaturverzeichnis besonders ausführlich. Heicker möchte zeigen, dass es queeres Leben schon immer gegeben hat. Es wäre schön, wenn einmal ein mehrbändiges Werk von Expert*innen über die queere Geschichte auf allen Kontinenten herausgegeben wird. 

Dino Heicker: Weltgeschichte der Queerness. BeBra Verlag, Berlin 2025.

Von Christian Höller

Christian Höller ist Psychotherapeut und hat eine Praxis in Wien.