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Kultur

Spannende Diskussionsbeiträge aus queerer Sicht

Initiative Queer Nations (Hrsg.): Jahrbuch Sexualitäten 2020. Wallstein-Verlag, Göttingen 2020.

Das neue „Jahrbuch der Sexualitäten 2020“ enthält viele lesenswerte Diskussionsbeiträge zum Thema Sexualität aus queerer Sicht. Besonders spannend ist der Essay, der sich mit der Frage beschäftigt, warum sich queere Menschen in rechtspopulistischen Parteien engagieren. Tatsächlich schielt die neue Rechte in einigen Ländern wie in Deutschland, Frankreich und in den USA auf queeres Wählerpotenzial. Sie macht Schwulen und Lesben folgendes Angebot: Wir akzeptieren euch, solange ihr nett, weiß, monogam und bürgerlich seid. Die Rechten wollen die braven und angepassten Schwulen und Lesben instrumentalisieren, um mit ihnen gegen Muslime, Nichtweiße und Transpersonen aufzutreten. Auch konservative Politiker entdecken ihre Sorge um Schwule und Lesben meist nur dann, wenn sie sich gegen Zuwanderer*innen aussprechen. „Der Schwule funktioniert als Pappkamerad in der Drohkulisse“, schreibt der Autor Adrian Daub. Das Jahrbuch lädt auch ein, über den Tellerrand zu schauen. So beschäftigt sich ein Beitrag mit der Situation von queeren Menschen in Indien. Anlass ist das Urteil des Obersten Gerichtshofs in Indien, wonach gleichgeschlechtlicher Sex nicht mehr strafbar ist. Das führte für 1,4 Milliarden Menschen zu einer massiven Ausweitung der Freiheitsrechte. Ursprünglich gab es in Indien eine lange Zeit der sexuellen Toleranz. Erst die britischen Kolonialherren stellten Homosexualität unter Strafe. Wer mehr über einen liberalen Islam erfahren möchte, sollte das ausführliche Interview mit der Frauen- und Menschenrechtlerin Seyran Ateş lesen. Ateş ist Mitbegründerin einer liberalen Moschee, in der queere Menschen willkommen sind. λ

Von Christian Höller

Christian Höller ist Psychotherapeut und hat eine Praxis in Wien.