Das Thema „schwule Nazis“ sorgt immer wieder für mediale Aufregung – vor allem, wenn in sozialen Medien Mutmaßungen und Diskussionen über die Homosexualität von rechten Politiker*innen angestellt werden. Doch wie ist es möglich, dass sich homosexuelle Menschen mit Rechtsaußen-Positionen identifizieren? In diesem Zusammenhang lohnt sich ein Rückblick in die Geschichte. Der Historiker und Soziologe Alexander Zinn hat 1997 eine umfangreiche Untersuchung über homosexuelle Männer unter den Nationalsozialisten durchgeführt. Das Buch war lange Zeit vergriffen, jetzt ist eine überarbeitete Neuauflage erschienen. Zinn hat für seine Arbeit unter anderem Artikel in der deutschen Exilpresse ausgewertet. In diesen wurde die National Sozialistische Arbeiterpartei (NSDAP) als „Bewegung der Homosexuellen“ diffamiert. Der Autor geht der Frage nach, wie damals das Stereotyp von schwulen Nazis entstanden ist. In der frühen Zeit der NS-Bewegung habe es „in der Tat bis hin zu den Führungskreisen homosexuelle Nationalsozialisten“ gegeben, schreibt Professor Hans Joas im Vorwort. Viele schwule Nazis seien in der Hitlerjugend (HJ) aktiv gewesen. Neben der Hitlerjugend galt die Sturmabteilung (SA) als Sammelbecken von schwulen Männern. Die wichtigste und bekannteste Figur war hier SA-Führer Ernst Röhm. Einige Homosexuelle haben in Röhm eine positive Figur gesehen, „weckte er doch Hoffnungen, dass es nach einer NS-Machtübernahme nicht etwa zu einer Verschärfung, sondern vielleicht sogar zu einer Verbesserung ihrer Lage kommen könnte“, schreibt Zinn. Die Wende trat Ende Juni/Anfang Juli 1934 mit der Ermordung Röhms ein. Dies war der Startschuss für die massive Verfolgung Homosexueller.
Alexander Zinn: Schwule Nazis. Zur Genese und Etablierung eines Stereotyps. Campus Verlag, Frankfurt am Main 2025.