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Kultur

Toxische MĂ€nnlichkeit

Klaus Theweleit: MĂ€nnerphantasien

Zweite Auflage, Matthes & Seitz Verlag, Berlin 2020. 

Was bringt junge MĂ€nner dazu, wahllos auf Passant*innen zu schießen und ein Blutbad anzurichten? Warum sind Terroristinnen fast ausschließlich mĂ€nnlich? Wie kommt es dazu, dass in vielen LĂ€ndern mehr als 90 Prozent der GefĂ€ngnisinsass*innen MĂ€nner sind? Mit diesen Fragen setzt sich das neu aufgelegte und ĂŒberarbeitete Buch „MĂ€nnerphantasien“ von Klaus Theweleit auseinander. Das vor mehr als 40 Jahren erschienene Werk hat nichts an AktualitĂ€t verloren. Denn nach wie vor sind es MĂ€nner, die vergewaltigen, erschießen, versklaven und steinigen. Theweleit zeigt, wie toxische MĂ€nnlichkeit entsteht, wie sich MĂ€nner durch Drill und eiserne Disziplin einen Körperpanzer zulegen. Sie entwickeln eine militĂ€rische HĂ€rte, KĂ€lte und Gnadenlosigkeit zu sich selbst und zu anderen. Hinzu kommt ein Hass auf Frauen. Theweleit zĂ€hlt mit dem Buch zu den Pionieren der MĂ€nnerforschung. Er dokumentiert, wie sich die toxische MĂ€nnlichkeit im Nationalsozialismus entfalten konnte. Im Faschismus wird verlangt, dass MĂ€nner wie Maschinen werden. Sie dĂŒrfen keine GefĂŒhle zeigen. Sie trainieren ihren Körper, damit er hart wird wie Stahl. Beim Lesen wird deutlich, dass viele Parallelen zur heutigen Zeit bestehen. Es ist empfehlenswert, das Buch nicht von der ersten bis zur Seite zu lesen. Denn das Werk ist nicht geradlinig geschrieben. Es enthĂ€lt auch viele Comics, Bilder und Zitat-Collagen. Die Anordnung wirkt teilweise chaotisch. Die LiteraturnobelpreistrĂ€gerin Elfriede Jelinek schreibt, dass sie das Buch sofort gelesen hat: „Es ist und bleibt ein Monolith, ich wĂŒrde sagen: unerreicht.“

Von Christian Höller

Christian Höller ist Psychotherapeut und hat eine Praxis in Wien.