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Kultur

Schwul in Syrien

Khaled Alesmael: Selamik

Albino Verlag, Berlin 2020. Übersetzung: Christine Battermann und Joachim Bartholomae

Der autobiografische Roman des von Syrien nach Schweden geflüchteten Autors Khaled Alesmael ist aus mehreren Gründen lesenswert. Beeindruckend sind zunächst die Einblicke in die schwule Szene in Syrien vor dem Krieg. Denn das schwule Leben in Damaskus war teilweise viel aufregender als jenes in Schweden. Zwar ist Homosexualität in Syrien verboten, doch im Verborgenen war einiges möglich. Alesmael nimmt die Leser*innen mit auf eine Reise zu schwulen Treffpunkten und erzählt, was er dort als Student erlebte. Die einfacheren Männer vom Land, viele waren verheiratet, gingen beispielsweise in Damaskus in das Hammam (ein öffentliches Badehaus) Ammuneh. Männer mit einer besseren Schulbildung bevorzugten das Hammam al-Imariye, das auch bei Touristen beliebt war. Neue Gäste wurden zuerst kritisch beäugt, um zu überprüfen, dass sie nicht dem syrischen Geheimdienst angehörten. Einmal wurde der Autor festgenommen, weil er sich in der Nacht in einer bekannten Cruising-Gegend aufhielt. Er bekam Panik und fürchtete, von der Geheimpolizei erpresst zu werden. Doch er wurde frei gelassen, weil seine Tante eine Prominente war. Mit dem Krieg änderte sich alles. Die heftigen Bombardierungen, die Zerstörung seines Elternhauses und die vielen Tote haben tiefe Wunden in der Seele des Autors hinterlassen. Es dauerte lange, bis er in Schweden Asyl bekam. Obwohl er nun in Freiheit war, konnte er sich zunächst nicht outen. Denn die syrischen Menschen, mit denen er in Schweden in einer Asylunterkunft lebte, wollten mit Schwulen, die sie für perverse Sünder hielten, nichts zu tun haben. Die packende Lebensgeschichte zeigt, wie wichtig es ist, LGBTIQ*-Flüchtlinge zu unterstützen.

Von Christian Höller

Christian Höller ist Psychotherapeut und hat eine Praxis in Wien.