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Lesben*rat

Come out in solidarity

Pride is a demonstration for trans rights!

Der Begriff Coming-out bedeutet ungefĂ€hr, etwas öffentlich zu machen, meistens geht es dabei um die eigene sexuelle Orientierung oder GeschlechtsidentitĂ€t. FĂŒr viele LGBTIQ-Personen ist das eigene Coming-out eine einschneidende Erfahrung, egal wie gut oder schlecht es verlĂ€uft. Ein Coming-out ist kein abgeschlossener Prozess, sondern muss in neuen Kontexten und mit neuen Bekanntschaften immer wieder unternommen werden. Auch ist das Coming-out nicht immer dasselbe, da sich bspw. die sexuelle Orientierung im Laufe des Lebens Ă€ndern kann.

Ohne den Prozess des Coming-outs als LGBTIQ-Person mit einer politischen Haltung gleichsetzen zu wollen, so möchte ich diesen Begriff auch fĂŒr einen anderen Kontext bemĂŒhen. Die Debatten innerhalb und außerhalb unserer Community darĂŒber, wer die richtige Haltung in Bezug auf unsere Themen hat und wer wen ein- oder ausschließen will, schlagen seit langer Zeit immer wieder große Wellen, in denen auch der Existenzgrund fĂŒr den Lesben*Rat liegt. Es geht um nichts weniger als die Frage, ob und wie trans* inklusiv eine Bewegung ist, die sich seit Jahrzehnten fĂŒr die Akzeptanz der eigenen SexualitĂ€t und (Geschlechts)IdentitĂ€t einsetzt. Ich wĂŒnsche mir ein Coming-out in SolidaritĂ€t mit unserer gesamten Community. Es geht darum, dass Lesben mehr sind als zwei cis Frauen, die eine normative SexualitĂ€t teilen, es geht darum, dass queere Frauen mehr verbindet als ihr Begehren, und es geht darum, dass die lesbische IdentitĂ€t eine inklusive und vielfĂ€ltige sein muss, denn sonst verraten wir nicht nur unsere trans* und nicht-binĂ€ren Geschwister, sondern auch all die schwarzen Aktivist*innen und Lesben of Colour, die fĂŒr die Dekonstruktion der weißen HeteronormativitĂ€t gekĂ€mpft haben.

Der Kern der Debatte ist einfach erklĂ€rt: Einigen Menschen scheint es schwerzufallen, zu akzeptieren, dass sich nicht alle Menschen mit dem Geschlecht identifizieren, das ihnen bei der Geburt zugeordnet wurde. Sie berufen sich auf vermeintliche biologische Fakten („Es gibt nur zwei biologische Geschlechter“) und versuchen, die TransidentitĂ€t von Menschen als ein individuelles Problem zu stilisieren, das keine Konsequenzen fĂŒr die herrschende Geschlechterordnung und, in der Folge, fĂŒr rechtliche und politische Gegebenheiten hĂ€tte. Indem sie den Kampf um Rechte fĂŒr trans* Personen (und, weniger prominent doch genauso drĂ€ngend, den Kampf um Rechte fĂŒr intergeschlechtliche Personen) als „Genderwahn“ bezeichnen, erwecken sie den Anschein, es handle sich hier um eine im wahrsten Sinne des Wortes wahnsinnige Minderheit. Gibt man dann noch eine gute Dosis Angstmacherei Ă  la „MĂ€nner in Frauenkleider belĂ€stigen Frauen“ und „trans Rechte gefĂ€hrden Frauenrechte“ hinzu, ist ein toxische Mischung erreicht, angesichts deren Spaltungskraft sich die Feinde aller Frauen und LGBTIQ-Personen die HĂ€nde reiben. Das Spiel ist einfach: Minderheit wird gegen patriarchal UnterdrĂŒckte ausgespielt, gewinnen tun am Ende rechte und rechtskonservative Gruppierungen.

Das VerstĂ€ndnis dafĂŒr, wie vielfĂ€ltig Geschlecht ist – nicht nur im biologischen, sondern auch im sozialen oder kulturellen Sinne – ist eigentlich in der DNA unserer Bewegung verankert: Seit jeher kĂ€mpfen Lesben dafĂŒr, dass ihnen das Frau-Sein auch dann nicht abgesprochen wird, wenn sie sich maskulin/burschikos/mĂ€nnlich prĂ€sentieren, schon immer werden Schwule, die feminin auftreten, dafĂŒr angefeindet. Warum regt es manche Menschen so sehr auf, dass manche die „Geschlechtergrenzen“ anders ĂŒberwinden (mĂŒssen) als sie selbst? Dass die eigene IdentitĂ€t von der Außenwelt anerkannt und akzeptiert wird, war schon immer ein Teil der LGBTIQ-Bewegung. Denn das Sein verwirklicht sich ja auch im Spiegel der Gesellschaft. Ziel ist es, das wahre Ich voll und ganz zu leben. Manche haben das Privileg, dass der Spiegel der Gesellschaft von Geburt an dieses Sein bestĂ€tigt, andere mĂŒssen um ihre IdentitĂ€t kĂ€mpfen, da sie von der Außenwelt nicht sofort erkannt wird.

Die UnfĂ€higkeit zur Empathie derjenigen, die durch ihre persönliche Meinung die Existenz von Menschen in Frage stellen und ihren Kampf um Rechte abtun, widert mich an. Die Entgegnung, dass man ja nur eine Meinung Ă€ußere und das noch lange kein Hass sei, hört man oft. Schockierend, dass ausgerechnet gebildete, oft sogar intellektuelle Menschen, die bereits in zivilgesellschaftlichen Bewegungen um gleiche Rechte aktiv waren, mit dieser Argumentation aufwarten. Gerade denen sollte doch der Zusammenhang zwischen Sprache und Handeln auf einer strukturell-gesellschaftlichen Ebene bewusst sein. Dass sich Gruppen fĂŒr ihre Ablehnung von trans* Personen sogar mit offen rechten Akteur*innen – wie bspw. bei einer Veranstaltung mit der transfeindlichen Aktivistin Posie Parker 2023 in Wien – gemein machen, ist ebenfalls ein Schlag ins Gesicht von jahrzehntelanger Community-Arbeit gegen den uns verachtenden rechten Rand.

Und hier sind wir bei einem Problem, das unabhĂ€ngig von der individuell gezeigten notwendigen SolidaritĂ€t mit trans* und inter* Personen alle Teile der LGBTIQ-Community zutiefst besorgen sollte: Wir können es uns schlichtweg nicht leisten, uns in Zeiten eines nationalen und europĂ€ischen Rechtsrucks mit Schwurbler*innen in den eigenen Reihen zu beschĂ€ftigen. Die Angriffe der Rechten sind lĂ€ngst in vollem Gange, egal ob sie regieren oder nicht. WĂ€hrend sie in Brandenburg PlĂ€ne schmieden, UnerwĂŒnschte – und dazu wird unsere Community in jedem Fall dazu gehören – zu vertreiben, Kickl in Österreich von Fahndungslisten schwafelt und die FPÖ in fast allen Umfragen bei knapp 30% steht, beschĂ€ftigen wir uns mit der Frage, wer wen gerade „mundtot“ macht.

Auch hier entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, dass alle, die sich mundtot gemacht fĂŒhlen, natĂŒrlich trotzdem genĂŒgend Plattformen finden, um ihre Meinung (und manchmal sehr konkret ihren Hass) zu verbreiten – Social Media sei Dank, und das gilt fĂŒr alle Seiten des Konflikts. Was man aber nicht vergessen darf ist die Tatsache, dass trans* Personen nicht nur in unserer Community, sondern gesamtgesellschaftlich angegriffen werden. Deshalb sind ihre Sprecher*innen-Positionen andere und insbesondere vulnerablere, denn sie mĂŒssen sich fĂŒr ihre eigenen Rechte einsetzen – es geht um ihr Leben und Überleben, wĂ€hrend diejenigen, die mit „Genderwahn“-Rufen vom eigentlichen Problem (fehlenden Rechten fĂŒr unsere Community) ablenken, aber dabei gar nicht konkret um ihre eigenen Rechte kĂ€mpfen.

Debatte ist wichtig und Diskurs ist notwendig – man muss nicht einer Meinung sein. Aber es muss eine SelbstverstĂ€ndlichkeit sein, dass man sich niemals mit der Rhetorik und den Argumenten Rechter, die unser alle Rechte umfassend ablehnen, gemein macht. Es ist mir egal, ob ein Mensch an zwei Geschlechter oder an 27 glaubt – aber ich will mich darauf verlassen können, dass Menschen, die diese KĂ€mpfe mit mir austragen, sich kompromisslos und zu jedem Zeitpunkt auf die Seite UNSERER Community stellen – und zwar auf die Seite jeder einzelnen Person in dieser Community. Alle Rechte allen Menschen – solange wir diese Position teilen, mĂŒssen wir in nichts anderem einer Meinung sein, ob nun persönliche Meinungen oder wissenschaftliche Fakten das Geschlecht definieren.

Die diesjĂ€hrige Regenbogenparade steht unter dem Motto „Pride is a demonstration“ – sie ist eine Demonstration fĂŒr LGBTIQ-Rechte, Akzeptanz und Respekt. Feiern wir am 8. Juni ein (weiteres) Coming-out – in SolidaritĂ€t mit allen Menschen unserer Community!

Come out in solidarity – Pride is a demonstration for trans rights!

Von Lisa Hermanns

LesBiFem*referentin HOSI Wien
(Foto: © Marie Dvorzak)