Rechtslage in Deutschland sowie Gesetzespläne in Österreich
Dass sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität keiner Behandlung oder Therapie bedürfen, erkennt die Wissenschaft mittlerweile an. Nach vielen politischen Bemühungen trat daher 2020 in Deutschland ein „Gesetz zum Schutz vor Konversionsbehandlungen“ (vulgo „Umpolungsbehandlungen“) in Kraft. In Österreich ist ein diesbezüglicher gesetzgeberischer Schutz erst im Entwurfsstadium. Die Erfolge des deutschen Gesetzes sehen bislang verhalten aus. Besteht Hoffnung, dass die österreichische Gesetzesversion schlagfertiger wird?
Zum deutschen Gesetz: Es gilt für alle am Menschen durchgeführten Behandlungen, die auf die Veränderung oder Unterdrückung der sexuellen Orientierung oder der selbstempfundenen geschlechtlichen Identität gerichtet sind. Aber: Das Verbot ist vor allem für Personen vorgesehen, die jünger als 18 Jahre sind; für Ältere gilt es nur bei Vorliegen eines Willensmangels. Für Opfer musste ein staatliches Beratungsangebot eingerichtet werden. Wer eine Konversionsbehandlung anbietet, ist mit Freiheitsstrafe von bis zu 2 Jahren zu bestrafen (oder mit einer Geldstrafe), nicht aber Erziehungspflichtige, sofern sie ihre Erziehungspflicht nicht gröblich verletzen. Für eine Behandlung zu werben ist verboten, aber ein Verstoß gegen das Werbeverbot wird nur verwaltungsstrafrechtlich geahndet.
Problematisch ist – soweit eine Zusammenfassung der Kritik in Deutschland – dass Vorschläge zu Umpolungsmaßnahmen aus dem elterlichen, schulischen, religiösen, psychotherapeutischen Bereich kommen. Besonders Eltern können im Regelfall straflos ausgehen. Werbung erfolgt meist verdeckt bzw. über Mundpropaganda und ist schwer zu ahnden. Und wenn doch, wird durch die Träger nicht mit „Therapie“ geworben, was sehr medizinisch klingt, sondern z.B. mit „Regeneration“ oder „Reparaturmaßnahme“. Wegen des strafrechtlichen Analogieverbots (das Gesetz spricht nur von „Therapie“) besteht die Gefahr, dass die Strafverfolgung ins Leere geht. Fachkreise fordern zusammengefasst daher, besser das Wort „Maßnahmen“ ins Gesetz zu implementieren, Eltern gar strenger in die strafrechtliche Verantwortung zu nehmen, das Verbot keiner Altersbeschränkung des Opfers zu unterlegen (wann ein Willensmangel tatsächlich vorliegen soll, kann diskutiert werden) und falls derartige menschenrechtswidrige „Leistungen“ von gemeinnützigen Vereinen angeboten werden, letztere mit dem Verlust ihrer Gemeinnützigkeit zu sanktionieren. Durch Aufklärung soll bei Betroffenen wie auch bei Therapeut:innen eine Sensibilisierung erreicht werden, dass Konversionsmaßnahmen abzulehnen sind.
Soweit die Forderungen nach Verbesserungen in Deutschland. Aus ihnen lässt sich jedenfalls ableiten, was der österreichische Gesetzgeber gleich von Anfang an besser machen kann. Die Angelegenheit befindet sich jedoch bereits seit ca. zwei Jahren im Gesetzgebungsprozess im österreichischen Parlament. Welche Partei, welcher Koalitionspartner auf der Bremse steht, erübrigt sich auszuführen. Derzeitiger Stand ist, dass ein SPÖ-Gesetzesinitiativantrag im Parlament bereits seit längerem im Rahmen der Parlamentsgeschäftsordnung immer wieder vertagt wird. Dieser sieht eine gekürzte Version des deutschen Textes vor – legistisch gesehen nicht ein eigenes Gesetz, sondern ein neu zu schaffender Strafrechtsparagraph (§ 221 StGB). Der Text verbietet wie die deutsche Version Behandlungen, Erziehungsberechtige sind strafbar, wenn sie ihre Erziehungspflicht gröblich verletzen, Volljährige sind nur Opfer bei Vorliegen eines Willensmangels. Er sieht, anders als das deutsche Gesetz, kein Werbeverbot vor.
Wünschenswert wäre natürlich, dass die oben genannten Kritikpunkte zum deutschen Gesetz in der österreichischen Legistik berücksichtigt würden. Ob gar eine stärkere strafrechtliche Verfolgung der Eltern (auch schon bei leicht fahrlässiger Verletzung ihrer Erziehungspflicht) gerechtfertigt wäre, bezweifle ich allerdings stark, mag auch der Anstoß zum „Therapie“-Beginn oft von ihnen kommen. Mehr Aufklärung von Erziehungsberechtigten empfände ich hier als den weitaus sinnvolleren Weg.
Auch die Regierungsparteien sind in Verhandlungen über einen Gesetzesentwurf. Derzeit scheitert man aber schon bei viel Grundlegenderem: Der große Regierungspartner lehnt den gesetzlichen Schutz vor „Behandlungen“ der Geschlechtsidentität ab (der Schutz der sexuellen Orientierung ist nicht strittig). Nicht nur, dass es unsachlich ist, Betroffene hinsichtlich ihrer Geschlechtsidentität nicht ebenfalls zu schützen, besteht zusätzlich die Gefahr, dass über eine Hintertüre auch die sexuelle Orientierung erst recht zu „therapieren“ versucht wird – indem das „Therapieziel“ der fixierten binären Geschlechtsidentität auch gleich das „passende“ heteronormative Verhalten umfasst. Letzteres bedeutet z.B. sich zum anderen binären Geschlecht hingezogen zu fühlen, womit die Anpassung der sexuellen Orientierung ebenso zum „Therapieziel“ wird. Es wird klar, dass der Schutz der sexuellen Orientierung mit jenem der Geschlechtsidentität verknüpft werden muss.