Dieses Buch ist das Produkt eines spannenden Experiments: Auf Einladung des feministischen Literaturkollektivs „Liquid Center“ haben sich 18 Frauen und nicht-männlich gelesene Personen gemeinsam mit dem Thema Begehren, Sex und Alter auseinandergesetzt. Die nun veröffentlichten Texte beschäftigen sich mit allen Facetten weiblicher und queerer Sexualität. Es geht um Tabus, Fantasien, aber auch um Missbrauch und Traumata. Die Texte werden in dem Buch anonymisiert wiedergegeben. Das ermöglicht eine große Offenheit. Gleich zu Beginn wird deutlich, warum das Buch so wichtig ist: So schreibt eine Frau, dass ihre Mutter mit ihr nie über Sex, Menstruation oder ihr Geschlecht gesprochen habe. Auch in der Gesellschaft wird weibliche Lust oft tabuisiert. Das Thema ist für viele Menschen zu schambesetzt. Doch dafür gibt es überhaupt keinen Grund, wie dieses Buch zeigt. Es ist befreiend, wenn Frauen sich miteinander über ihre Lust austauschen und Wege zu einer erfüllten Sexualität finden. So schreibt eine Frau, dass Masturbation für sie lange Zeit ein Fremdwort gewesen sei, so repressiv sei ihre Erziehung gewesen. Das Entdecken der Masturbation im Alter von dreißig Jahren sei dann aber eine „Erleuchtung“ gewesen. Eine andere Frau meint, dass der erste Vibrator ein Fehlkauf gewesen sei. Er sei viel zu groß gewesen und habe sich angefühlt, als würde sie sich einen Verkehrspoller einführen: „Da lobe ich mir meinen guten alten Deoroller.“ Das Buch macht auch deutlich, wie patriarchal und sexistisch die Gesellschaft noch immer ist. So meint eine Autorin: „Seitdem ich denken kann, wird mein Körper bewertet. Ich habe diese Stimmen verinnerlicht, und ich werde sie nicht los, auch heute nicht.“
Liquid Center (Hg.): Wir kommen. DuMont Buchverlag, Köln 2024.