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Bernie <> Candy Licious

Wie hast du zu Drag gefunden?

Als ich vor 10 Jahren ehrenamtlich Kondome verteilt habe, dachte mir schon „mit der Zeit wird das ja langweilig, einfach nur so im Shirt“: Also habe ich begonnen mich androgyner zu kleiden. Da hat mich dann vor 8 Jahren der [heuer verstorbene] Gerd Pichler gefragt, ob ich beim Tuntathlon mitmachen will. Ich wusste zwar nicht, was das ist, aber mit einem geliehenen Kleid und kaputten 5 cm-Absätzen hat alles begonnen. Danach habe ich meine Drag-Mutter Shelby O’Dignity kennengelernt, bei der Gruppe Divas das Travestie-1×1 gelernt, seit 6 Jahren mache ich jetzt mein eigenes Ding. Ich heiße Candy Licious, weil ich sehr oft mit Streuselzucker, Lutscher, mit Mastixkleber im Gesicht oder im Outfit herumgelaufen bin, das hatte ich einfach immer irgendwie dabei. Und in den letzten Jahren, vor allem mit dem ROPP, das vor drei Jahren eröffnet hat, sind sehr viele Sachen dazu gekommen: eigene Shows schreiben, etc. So war die Entwicklung von Candy.

Hat Drag einen Einfluss auf die Gesellschaft?

Mittlerweile hat Drag schon Einfluss auf die Gesellschaft. Es ist viel präsenter, und grad durch Conchita wurde das Wort in Österreich wohl das erste Mal richtig bekannt. Die Leute haben gesehen, man muss nicht unbedingt trans sein, um Drag zu machen. Das ist nicht alles dasselbe, auch wenn es noch nicht alle verstehen. Der Einfluss ist spürbar. Durch Shows wie RuPaul’s Drag-Race ist auch die schwule Community ein bisschen offener dem gegenüber. Wenn ich mir überlege, vor 4-5 Jahren, wenn ich da gesagt habe, ich mache Drag, habe ich deutlich mehr Negativität innerhalb der Community gespürt. Schwule Männer, die ich damals kennengelernt habe, sind viel ablehnender gewesen, als heutzutage. Es ist erstens viel präsenter, und zweitens sehen die Leute einfach: „Okay, Drag ist wichtig, auch für uns! Drag kann viel aussagen und viel bewirken.“ Es ist eben letzlich UNSERE Kunst!

Bernie (keine Pronomen), queer
Bernie (keine Pronomen), queer; [Foto: Mo Blau]

Candy Licious ist in den letzten Monaten quasi sehr präsent, als Moderatorin und auf vielen Pride Veranstaltungen.

Ja, die Candy ist durchaus die Regenbogenqueen, auf kleinen und großen Prides. Ich werde auf alle Fälle immer eine Community Drag bleiben. Aber ich merk natürlich, je präsenter Candy ist, desto mehr Out-of-community Anfragen kommen. Das finde ich sehr schön, weil man mit Personen außerhalb der LGBTIQ-Community ganz anders reden muss. Auf einer Pride in Mistelbach muss ich nicht erklären, was Drag ist. Aber bei einem Mädels Polterabend habe ich zwei Stunden von mir erzählt und was Drag ist, und die haben alle zugehört wie die bravsten Schülerinnen, also das war natürlich schon sehr schön.

Es gab im Rahmen der Vienna Pride diese bekannte Kinderbuch-Vorlese-Aktion in einer Zweigstelle der Wiener Bücherei. Es war schon viel dazu in den Medien, aber möchtest Du hier nochmal schildern, wie das für dich war?

Angefangen hat es damit, dass ich Vienna Pride eine Lesung für Kinder vorgeschlagen habe. Katharina [Kacerovsky-Strobl, Geschäftsführerin der Stonewall GmbH, die die Vienna Pride organisiert] war begeistert, und wir haben diese Lesung organisiert. Dann war ich im Mai im Urlaub in Südtirol, und am Weg zurück bekomme ich eine Nachricht von einer Bekannten, „weißt Du, dass Du in den Medien negativ erwähnt wirst?“. Katharina hat auch unmittelbar danach angerufen und mir erzählt, dass die Lesung eine Zielscheibe von Menschen, die etwas gegen Drag und Queerness haben, geworden ist. So ist es dann die ganze Woche weitergegangen, es war da ein Bericht, dort ein Bericht, dort ein negativer, da ein positiver. Es blieb relativ konstant, es ist nicht eskaliert.

Am Tag von der Lesung, Freitag der 3. Juni, bekomm ich einen Anruf von der Andrea Brunner, von der Aids Hilfe Wien, „hast Du das mitbekommen, dass sie eine Mauer vor der Bücherei aufgestellt haben“, und ich war so „was?“ … ich hab’s einfach gar nicht glauben können! Ich war dann mit der Bücherei und Katharina im Kontakt, die mir gesagt haben, dass die Mauer eine Nacht und Nebel-Aktion war; sie wurde entfernt und wir machen die Lesung trotzdem. Es wurde dann aber von der ­Vienna Pride auch gesagt, es kommen nur Personen mit Kindern in die Bücherei.

Für die Lesung wurde ich von Vienna Pride Securities abgeholt. Einige Freund*innen haben mich dabei begleitet, wie Markus Rumelhart und Mario Lindner, und es gab viel Unterstützung. Die Lesung selber war dann sehr emotional, als ich die vielen Kinder dort gesehen habe. Ich konnte dann endlich das machen, was ich ursprünglich machen wollte, und den Kindern hat’s gefallen, die waren begeistert – vor allem, weil ich die „Zauberkiste“ dabei hatte, mit ganz viel Federboas und Sonnenbrillen und Glitzer, und natürlich auch Süßigkeiten, weil Candy Licious hat natürlich Candies mit.

Danach wurde ich von den Securities durch den Hintereingang hinausgebracht, das war noch weird. Der Tag war hart. Es war 3 Uhr Nachmittag und es hat sich angefühlt, als hätte ich eine Woche durchgemacht.

Aber, ich muss sagen, ohne die Unterstützung durch Freund*innen und dem zahlreichen Zuspruch hätte ich es, glaube ich, nicht so gut geschafft.

Foto: Mo Blau
Foto: Mo Blau

Hast Du das Gefühl, dass in den letzten Monaten grundsätzlich die Stimmung anders war als in anderen Jahren?

Also die Vorgänge rund um die Lesung war natürlich ein sehr großer negativer Vorfall. Und was ich heuer schon sehr stark mitbekomme, ist, wie viele Übergriffe es auf queere Menschen gibt. Das ist heuer leider ein neuer Negativrekord, auch für mich persönlich. Ich glaub, mit der großen Sichtbarkeit, die wir queere Menschen zum Glück immer mehr haben, melden sich die, die was dagegen haben, auch immer lauter. Wir verstecken uns nicht mehr wie vor 10 Jahren, dadurch ist natürlich leider die Angriffsfläche, sozusagen, größer, und Leute, die was dagegen haben, die nutzen das leider beinhart aus.

Würdest Du so ein Event nochmal machen?

Ich mach auf alle Fälle mehr Lesungen in der Zukunft, und hab auch mit der Bücherei schon gesprochen, die auch weitere Lesungen machen möchte. Ich bin gerade in Planung, wie ich das aktiv anbieten kann; vielleicht kann man da ein tolles Bildungsprojekt daraus machen. ♕

Vienna DRAGS

Vienna DRAGS ist ein Projekt von Mo Blau. Mo führte alle Gespräche und Foto-Shootings mit den Drags.

Von Mo Blau

HOSI Wien transgender Referat, früher Coming-Out-Team
(Foto: © Marie Dvorzak)