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Queer und feminin

ein Widerspruch?

Wer an queere Frauen denkt, hat schnell ein bestimmtes Bild im Kopf. Der Stereotyp einer männlich wirkenden Frau mit kurzen Haaren, androgynem Look und breitbeinigem Gang ist noch immer sehr präsent. Und das nicht nur bei heterosexuellen Menschen, sondern genauso bei anderen queeren Frauen. Das ist natürlich nachvollziehbar: Bei burschikosen Frauen schlägt das Gaydar sofort an. Andere queere Frauen können Personen sofort als potenzielle Partnerinnen erkennen. Aber genau dort liegt auch das Problem. Es gibt auch viele queere Frauen, die mit ihrem Stil Weiblichkeit ausdrücken möchten, indem sie Kleider, Röcke oder High-Heels tragen. Doch dann werden sie oft nicht mehr als queer gelesen.

Ich habe meine Weiblichkeit schon immer gerne betont. Zwar schminke ich mich nicht, dafür trage ich sehr gerne Schmuck. Ich habe lange Haare, die ich auch manchmal zu einer schicken Frisur hochstecke. Ich überlege in der Früh oft lange, was ich anziehen möchte. Ein hübsches Kleid? Oder doch lieber einen stylischen Rock? Manchmal auch ganz unkompliziert nur eine gemütliche Jeans und irgendein T-Shirt. Ganz nach Lust und Laune. So präsentiere ich, eine bisexuelle Frau, mich der Welt.

Durch die heteronormativen Vorstellungen, dass alle queeren Frauen burschikos wirken müssen, werde ich bei nicht-queeren Veranstaltungen ganz eindeutig in die Schublade „heterosexuell“ gesteckt. Selbst wenn ich offen mit Frauen flirte, wird das meist mit Freundlichkeit verwechselt. Doch selbst bei queeren Veranstaltungen spüre ich manchmal die Unsicherheit anderer Frauen, ob ich wirklich queer bin oder „nur“ ein straight ally. Sehr oft wird mir ganz erstaunt gesagt, sie hätten nie gedacht, dass ich auf Frauen stehen könnte. Das verunsichert mich. Meine queere Identität wird von meiner Feminität überschrieben.

Kategorien und Stereotype sind natürlich wichtig, um überhaupt in unserer komplexen Welt überleben zu können. Mit einem einzigen Anschauen und oft ohne jemals ein Wort mit dem Gegenüber gewechselt zu haben, wird bereits in einem ersten Eindruck entschieden, was für ein Mensch diese Person ist. Stereotype stimmen ja auch oft. Das verleitet schnell dazu, eine maskulin wirkende Frau eher als queer einzuordnen als eine feminin wirkende Frau. Umso erstaunter sind dann die Menschen, wenn sich eine feminine Frau als queer outet. So als stünde die Feminität im direkten Widerspruch zur Queerness. Als wäre beides gleichzeitig nicht denkbar. Doch das eine schließt das andere nicht aus. Trotzdem fällt es vielen Personen nach wie vor schwer, diese beiden Begriffe miteinander zu verbinden. Dieses Problem endet aber nicht beim ersten Eindruck. Denn nach der Erkenntnis des Gegenübers, es mit einer queeren Person zu tun zu haben, folgt viel zu oft eine Lawine an Fragen. Hatte ich denn schon einmal etwas mit einer Frau? War ich überhaupt schon einmal in einer Beziehung mit einer Frau? Sicher, dass es nicht doch nur eine Phase ist? Ich bekomme oft das Gefühl, mich rechtfertigen zu müssen, um damit zu beweisen, dass ich wirklich queer bin. Ich bin mir sicher, dass maskulin wirkende queere Frauen diese Fragen nicht gestellt bekommen.

Frustriert habe ich bereits öfters gegoogelt, wie denn eine queere Frau überhaupt „aussehen sollte“. Mit den Bildern, die ich da gefunden habe, konnte ich mich leider so gar nicht identifizieren. Ich mag mein feminines Aussehen sehr gerne. Deshalb folgte dann auch relativ bald mein Fazit: Ja, so bin ich halt. Feminin und queer. So gefalle ich mir. Mittlerweile habe ich genug Selbstsicherheit entwickelt, um zu wissen, dass ich queer bin, egal, wie ich aussehe. Und kann das auch gut nach außen tragen. ♕

Von Marlene

Lambda Autorin