Wer dieses Buch liest, wird die queere Geschichte teilweise mit anderen Augen sehen. Das Buch zeigt, dass es in den USA schon vor den Stonewall-Aufständen 1969 eine revolutionäre queere Bewegung gegeben hat. Diese ist Anfang des 20. Jahrhunderts von rebellischen schwarzen Mädchen und Frauen ausgegangen. Die Autorin Saidiya Hartman erzählt in diesem berührenden Werk die Lebensgeschichten dieser revolutionären Frauen. Die Lektüre macht deutlich, dass schwarze Frauen in den USA auch nach der offiziellen Abschaffung der Sklaverei mit Rassismus, mit unvorstellbarer Gewalt, Grausamkeit und Armut konfrontiert sind. Gewalt sei keine Ausnahme gewesen, sondern habe vielmehr den Existenzhorizont bestimmt, schreibt die Autorin. Schwarze Frauen wurden immer wieder Opfer brutaler Lynchjustiz, sie wurden vergewaltigt und ermordet. Sie fanden meist keine Jobs und mussten sich prostituieren. Auch nur wenige Hausbesitzer vermieteten an Schwarze. Und wenn sie es doch taten, verlangten sie Höchstmieten für die schlechtesten Wohnungen. Gleichzeitig waren einige dieser schwarzen Frauen Vorkämpfer*innen queeren Lebens. Sie widersetzten sich traditionellen Geschlechterrollen und lehnten die bürgerliche Ehe ab. Sie liebten mehrere Personen und lebten mit diesen zusammen. Sie gingen auch gleichgeschlechtliche Partner*innenschaften ein. „Die weiße Welt hatte die Regeln festgelegt, wie ein Mann zu sein hatte, wie eine Frau zu sein hatte, wie man intim zu leben hatte“, heißt es in dem Buch. Doch viele schwarze Frauen waren mutig und wollten von diesen weißen Regeln nichts wissen. Mit diesem Buch wird diesen schwarzen Frauen und Mädchen ein Denkmal gesetzt. ♕
Saidiya Hartman: Aufsässige Leben, schöne Experimente – Von rebellischen schwarzen Mädchen, schwierigen Frauen und radikalen Queers. Claassen Verlag, Berlin 2022.
Aus dem Amerikanischen übersetzt von Anna Jäger.