Das Buch „Der Hirtenstern“ ist etwas Besonderes: Nach 28 Jahren liegt nun endlich das frühe Meisterwerk des britischen Autors Alan Hollinghurst in deutscher Sprache vor. Hollinghurst ist einer der wichtigsten Gegenwartsautoren Großbritanniens. In seinen Romanen beschäftigt er sich mit psychologischem Gespür, mit menschlichen Schwächen und Abgründen. Gleichzeitig setzt er sich intensiv mit dem Thema Homosexualität auseinander. Im Buch „Der Hirtenstern“ tauchen die Leser*innen ein in eine Zeit, in der es noch kein Internet und keine Dating-Apps gegeben hat. Die schwulen Männer trafen sich in einschlägigen Lokalen und Parks. Hollinghurst ist ein Meister der Sprache. Er beschreibt die Szenen bis in die kleinsten Details. Hauptprotagonist im Roman ist der gescheiterte Autor Edward Manners, Anfang 30. Er zieht in den 1990er-Jahren von Großbritannien in eine belgische Kleinstadt. Er lernt die dortige Schwulenszene kennen. Um Geld zu verdienen, bietet Edward in der Stadt Nachhilfe in Englisch an. Dabei verliebt er sich in einen seiner Schüler, den 17-jährigen Luc. Doch dieser bleibt distanziert. Edward hat Affären mit verschiedenen Männern, steigert sich gleichzeitig in seine Leidenschaft zum unnahbaren Luc hinein. Daraus entwickelt sich eine krankhafte Obsession, die in voller Intensität ausgelebt wird. Abgesehen von diesem Hauptdrama werden in dem Roman viele spannende Nebenschauplätze beschrieben. So gibt es in der Kleinstadt ein Museum eines bemerkenswerten Malers, der sich viel mit Erotik beschäftigte und Syphilis bekam. Ein anderes Thema sind die tragischen Nachwirkungen von Nazi-Kollaborateuren in Belgien während des Zweiten Weltkriegs und des Holocausts. ♕
Alan Hollinghurst: Der Hirtenstern. Albino Verlag, Berlin 2022.
Übersetzt aus dem Englischen von Joachim Bartholomae