Ob im Kino, Streaming oder in der Popmusik: Kultur aus Südkorea erfreut sich großer Beliebtheit. Doch über das queere Leben in dem asiatischen Land ist wenig bekannt. Nun ist mit „Die Tochter“ erstmals auf Deutsch ein Roman von Kim Hye-jin erschienen. Die 1983 geborene Autorin gilt in Südkorea als literarische Zukunftshoffnung. Sie wurde in ihrer Heimat vielfach ausgezeichnet – und das zu Recht. In dem Roman erzählt sie mit großer Feinfühligkeit über die komplizierte Beziehung einer über sechzigjährigen Mutter zu ihrer erwachsenen Tochter. Die Mutter führt ein genügsames Leben. Sie arbeitet hart. Ihr Mann ist verstorben. Ihre bedingungslose Fürsorge gilt der Tochter. Doch im Laufe der Zeit fragt sie sich, was sie falsch gemacht hat. Denn es häufen sich die Anzeichen, dass ihre Tochter eine Frau liebt. Die Mutter gibt sich Mühe, das Verhalten ihrer Tochter zu ignorieren. Doch damit wird das Unsagbare immer größer. Schließlich gerät die Tochter in finanzielle Probleme und zieht mit ihrer Freundin bei der Mutter ein. Damit prallen zwei Welten aufeinander. Die Mutter ist zunächst gefangen in der alten südkoreanischen Tradition. Demnach sollen sich Frauen einen Mann suchen, eine Familie gründen, Kinder bekommen und diese großziehen. Die Mutter schämt sich für ihre Tochter und hat Angst, dass das lesbische Paar die Aufmerksamkeit der Nachbar*innen auf sich zieht. Das Aufeinanderprallen der beiden Welten sorgt für Konflikte, doch es kommt auch zu Veränderungen. Das Buch bringt wertvolle Einblicke in eine Kultur, die uns vielfach fremd ist, und befasst sich mit Themen wie Toleranz, Armut, soziale Kälte und Gewinnmaximierung in sozialen Einrichtungen.
Kim Hye-jin: Die Tochter. Hanser Berlin, Berlin 2022.
übersetzt von Ki-Hyang Lee