Kategorien
Kultur

Schwule Seele

Der Moderator und ORF-Sendungsverantwortliche Peter Fässlacher hat sich vor acht Jahren in einem Artikel für die „Presse“ geoutet, nun hat er mit „die schwule Seele“ sein erstes Buch geschrieben. Darin schreibt er über bestimmte Themen, Probleme, Muster, Sehnsüchte, Enttäuschungen und Fragen, die aus seiner Sicht für schwule Männer typisch sind. „Letztlich ist dieses Buch ein Ratgeber, der keiner sein will. Ein Buch, das ich selbst gerne gelesen hätte“, heißt es im Vorwort. Seinen Beobachtungen zufolge gibt es zwei Gefühle, die das Fundament der schwulen Seele ausmachen: das Gefühl der Minderwertigkeit und die Angst vor Zurückweisung. Daraus entwickeln viele schwule Männer einen Lebensstil, der auf das Ausgleichen des Minderwertigkeitsgefühls und auf das Vermeiden von Zurückweisungen ausgerichtet ist. Dazu gehört etwa der Perfektionismus. Schwule wollen den perfekten Körper, den perfekten Partner  – alles muss perfekt sein. Der Sinn der Perfektion ist die Bestätigung durch andere. Hat jemand den perfekten Partner, „gilt dieser als Bestätigung, dass ich auch perfekt bin“, schreibt Fässlacher. Schwule passen sich gerne anderen an und übersehen die eigenen Bedürfnisse. Auch in der schwulen Community reagiert der Perfektionsanspruch. „Es wiederholt sich das Motiv, dass Geliebtwerden an Bedingungen geknüpft ist“, so der Autor. Diejenigen, die es nicht schaffen, sich anzupassen, bekommen auch in der schwulen Community das Gefühl, Außenseiter zu sein. Schwule Menschen fühlen sich einsam. Eine beliebte Methode, um diese Einsamkeit zu mildern, sind unverbindliche sexuelle Kontakte. Dabei geht es weniger um Sex, als um das Bedürfnis nach Kontakt. Es ist zu wünschen, dass viele schwule Männer dieses Buch lesen und sich mit den Themen auseinandersetzen.

Peter Fässlacher: Die schwule Seele. Luftschacht Verlag, Wien 2022.

Von Christian Höller

Christian Höller ist Psychotherapeut und hat eine Praxis in Wien.