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Was Sprache bedeuten kann

Existiert etwas, ohne benannt zu werden?

“Frau Müller, ach entschuldigen Sie bitte, ich meine natürlich Frau Ansbach!” 

So einfach und schnell adaptieren Leute üblicherweise den (Nach-)Namen der Person, die durch Heirat ihren bisherigen Nachnamen abgelegt hat. Bei trans*Personen hingegen scheint die Art, wie ich jemanden anspreche, emotional besonders aufgeladen. Das ist zum einen klar, weil man sich oft näher steht als im vorangegangenen Beispiel, das vielleicht eher in einem professionellen Kontext stattgefunden haben könnte, zum anderen ist speziell der Vorname natürlich individueller. Doch wie individuell können Namen wie Mohammed oder Maria sein, wenn sie uns doch ständig begegnen? Klar haben wir alle „unsere” Maria, die wir mit den Eigenschaften der nahestehenden Person füllen, die wir ganz persönlich kennen und lieben, oder so gar nicht ausstehen können. Sei es die ungeliebte Klassenkameradin, oder die Lieblingscousine. Wir haben unsere Erwartungen, sobald wir Namen hören, ein besonders verrufenes Beispiel wäre Kevin. Genau so entstehen Vorurteile darüber, wie jemand mit einem bestimmten Namen wohl sein muss. Das löst Erwartungen aus die, wie wir bestimmt schon alle erlebt haben, genauso gut falsch sein können. All diese Punkte spielen bei werdenden Eltern, im Namensfindungsprozess für „ihr Neugeborenes”, eine Rolle. Nun kann neben dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht auch der bei der Geburt zugewiesene Name eine psychische Belastung für binäre und nicht-binäre trans*Personen sein. Deshalb stehen sie oft vor einem ähnlichen Problem wie ihre Eltern: welche Erwartungen möchte ich mit meinem Namen auslösen? Zu den bereits genannten Herausforderungen kommt außerdem die Angst dazu im gelebten Geschlecht von außen nicht anerkannt zu werden. Welche rechtlichen Gegebenheiten muss ich beachten? Kann ich einen weiblich konnotierten Namen annehmen, wenn in meinem Pass „männlich” als Geschlecht eingetragen wurde? Sind nicht eindeutig männlich oder weiblich konnotierte Namen überhaupt möglich? Glücklicherweise sehen immer mehr Länder von dem Zwang ab, bei der Geburt das Geschlecht und einen weiblich/männlich konnotierten Vornamen eintragen zu müssen. Leider gelten diese Regelungen oft nur für intergeschlechtliche Babies, das muss sich ändern! 

In jedem Fall ist die Wahl eines neuen Namen, der mit der eigenen Lebensrealität so gut als möglich zusammen passt, alles andere als leicht. Deshalb möchte ich an dieser Stelle um ein wenig Nachsicht und Respekt bitten. Es mag peinlich sein, sich einen neuen Namen nicht merken zu können, aber bitte entschuldigt euch nicht zwei Minuten lang für das Nennen des alten, sogenannten „dead name” (also toter Name), falls es mal passiert. Macht für uns, die einen neuen Namen gewählt haben, die ohnehin schon unangenehme Situation nicht noch unangenehmer. Wir sind uns der Schwierigkeit der Umgewöhnung sehr bewusst, deshalb warten wir ja aus Angst davor sehr lange bis wir ihn ändern! 

Aber wie spreche ich über eine Person, deren Pronomen ich entweder nicht kenne, oder die keine oder geschlechtsneutrale Pronomen verwendet? Speziell geschlechtsneutrale Pronomen werden überwiegend von nicht-binären Personen verwendet. Eines gleich vorweg: auch wenn nicht-binäre Personen bezaubernd sein können, mit und über sie zu sprechen ohne sie zu verletzen, ist keine Zauberei. Wir sind dankbar für jeden ernstgemeinten und respektvollen Versuch uns sprachlich einzubinden. Für dich mag es einen kleinen Aufwand bedeuten sich mal damit auseinander zu setzen, eine Person zu fragen wie sie angesprochen werden möchte, oder sich zu bemühen ihre Wunschformen einzuhalten. Für uns kann es jedoch die Welt bedeuten. Klar ist es als nicht betroffene Person schwer nachzufühlen, wie viel Auswirkung es auf uns haben kann, wenn wir nicht nur mitgesprochen, mitgemeint oder mitgedacht werden. Eigentlich kennen wir diese Debatten schon seit Ewigkeiten aus dem Feminismus, und mittlerweile gibt es dahingehend ja auch deutliche Bemühungen, die weibliche Form mit einzuschreiben oder direkt einen neutralen Begriff zu finden. Der Widerstand dürfte nach den gefühlt endlosen Debatten verschwindend gering sein, einfach die neutralen Formen beizubehalten und auszubauen. In der Realität scheint es jedoch für einige unvorstellbar zu sein, in welcher „absurden Weise” jetzt auch noch nicht-binäre Menschen mitgesprochen werden möchten. Dabei gibt es zahlreiche Situationen, in denen jede*r ganz natürlich Vemeidungsstrategien anwendet. Wenn wir nicht (mehr) genau wissen, welchem Geschlecht das Kind der Freundin, die man einige Jahre nicht gesehen hat, angehört, fallen uns schnell mal Möglichkeiten ein etwas geschlechtsneutral auszudrücken. In dem Moment spürt man selbst den Bedarf für geschlechtsneutrale Redeweisen. Bei manchen Menschen ist das Bedürfnis nicht das eigene, trotzdem sollte es ernst genommen werden. 

Der sogenannte Glottisschlag kann bei sonst geschriebenen Bezeichnungen wie „Lehrer*innen“ das Sternchen akustisch abbilden. Anders als bei der rein weiblichen Bezeichnung Lehrerinnen, macht man also einen kleinen gedanklichen Abschluss nach dem letzten r, statt „…rinnen” dann also Lehrer-innen. Bezeichnungen wie „Lehrende” sind fast immer eine Möglichkeit. 

Um nur ganz kurz noch auf geschlechtsneutrale Pronomen einzugehen: im Englischen ist es noch einfacher, dort gibt es they/them, das verwenden einige Leute mittlerweile sogar in deutschen Sätzen: „They (manchmal auch in der eingedeutschen Schreibweise dey, ausgesprochen wie däi) möchte mit geschlechtsneutralen Pronomen angesprochen werden.” „Ich möchte them (eingedeutscht dem, ausgesprochen wie dämm) noch zum Geburtstag gratulieren.”

Das im deutschsprachigen Raum momentan wohl verbreiteste Neopronomen ist allerding xier. Beispiel: Statt „Sie möchte ihr Kind von der Schule abholen.” dann „Xier möchte xieser Kind von der Schule anholen.” Wer mehr dazu erfahren möchte, kann sich auf https://www.annaheger.de/pronomen32/ genauer ansehen, wie dieses und weitere Pronomen verwendet werden. 

All das soll Hilfen für eine Abbildung von Personen geben, deren Pronomen eben weder sie/ihr, noch er/seine sind. Ungefähr 1,7% der Bevölkerung sind beispielsweise auch intergeschlechtlich. Nun bezieht sich das zwar auf das biologische Geschlecht, also nicht das soziale, trotzdem stelle man sich mal vor, alleine diese Zahl an Menschen würde geschlechtsneutrale Pronomen verwenden, das wären immerhin circa 3 Millionen Personen die Deutsch als Erst- oder Zweitsprache verwenden. Nicht alle intergeschlechtlichen Menschen haben geschlechtsneutrale Pronomen und nicht alle nicht-binären verwenden sie, aber es wäre eben nicht nur für eine Menge an Leuten, die weder Frau, noch Mann, sind eine große Entlastung und Bereicherung unserer Sprache. 

Die Realität wird bereits gelebt, also benennen wir sie doch bitte endlich!

Von Mo Blau

HOSI Wien transgender Referat, früher Coming-Out-Team
(Foto: © Marie Dvorzak)