Das ist doch ein Grund zum Feiern!
Unsere Vereinszeitschrift Lambda ist neben diesem beeindruckenden „Ausgabengeburtstag” ganz nebenbei auch das älteste durchgängig erscheinende LGBTIQ-Magazin im deutschsprachigen Raum.
Es entwickelte sich parallel zur Geschichte der HOSI Wien. Das bedeutet, zu Beginn erst von und für schwule Männer, dann kurz darauf mit lesbischen Frauen, heutzutage mit und für Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans Personen, inter* und queere Menschen.
Die ersten beiden Ausgaben der Lambda, aus dem Juli 1979, hießen streng genommen damals noch „Warme Blätter“. Man ließ sich unter anderem von der „CO-Info“ inspirieren. Sie war eine bereits im Juni 1976 erschienene Zeitschrift der damaligen losen Gruppe schwuler Interlektueller, welche unter dem Namen „CO (Coming out“) unregelmäßig zusammenkam. Diese Gruppe litt in Österreich, wie später auch die ersten Aktivisten der HOSI Wien, unter dem Vereinsverbot, welches mit der Kleinen Strafrechtsreform 1971 die Gründung eines Vereins zur Vertretung der Anliegen gleichgeschlechtlich liebender Menschen illegalisierte. Während der Name der Gruppe und ihrer Zeitschrift einen Einfluss durch die US-Amerikanische Homosexuellenbewegung (losgetreten durch die Stonewall-Riots) nahelegt, gaben sie wiederum an, von der deutschen Gruppe „Linke Schwulenbewegung“ beeinflusst worden zu sein. Heutzutage wissen wir natürlich, dass die Stonewall-Riots nicht nur von schwulen weißen cis Männern vorangetrieben wurden, sondern ebenso von Schwarzen, Lateinamerikanischen, transgeschlechtlichen und queeren Menschen aller Coleur.
Über eine einseitige Repräsentation der Anliegen Homosexueller regten sich Doris Hauberger und Helga Pankratz in einer Ausgabe 1981 der dann bereits zu „Lambda Nachrichten“ umbenannten HOSI-Zeitschrift auf. Sie hielten in einem Leserbrief an die LN fest: „weil der von Euch abgedruckte Fragebogen doch für eine Studie die über Homosexualität sein soll… Er ist aber nur für homosexuelle MÄNNER konzipiert! GIBT ES UNS ETWA SCHON WIEDER NICHT???“. Das alles wurde natürlich von der Redaktion per Schreibmaschine abgetippt und sich selbst gegenüber schonungslos veröffentlicht, bzw. durch die HOSI Wien selbst verbreitet. Eine Antwort der Redaktion durfte nicht fehlen: „Liebe Helga und Doris! Die Studie hätte Wolfgang eine über männliche Homosexualität nennen sollen. Aber das soll keine Diskriminierung der Lesben sein, aber die HOSI kann momentan an nicht so viele Lesben herankommen, als daß die Studie dann repräsentativ wäre”. Das sollte sich kurz darauf ändern, als die beiden zum Gespräch eingeladen wurden, um ihre Seite darzulegen. Besonders über die leider bereits 2014 verstorbene Helga Pankratz hört man heute noch oft, wie sehr sie die HOSI Wien erst durch Leserbriefe an die „Lambda Nachrichten“ herausforderte und dabei den damaligen Verantwortlichen klarmachte „an uns Lesben kommt ihr nicht vorbei, wir wollen eingebunden werden, aktiv mitgestalten!” Über einen Aufruf in den LN, den sie wieder mit Doris zusammen verfasste, initiierten sie eine HOSI Wien Lesbengruppe. Sie besteht noch heute durch die LesBiFem-Gruppe und war wohl auch die erste transinklusive Gruppe queerer Frauen in Europa. Dazu darf natürlich nicht vergessen werden, dass bei der Gruppengründung der heutigen QYVIE, damals Jugendgruppe, zum Beispiel auch bisexuelle Vereinsmitglieder aktiv beteiligt waren. Wenn also Robert Eichhorn und Doris Hauberger 40 Jahre später dieser Jugendgruppe zum Jubiläum gratulieren können, dann ist das mitunter ein Verdienst der Lambda als schriftliches Beiwerk der HOSI Wien. Getan haben die beiden das 2023 auf dem 2022 eröffneten Helga-Pankratz-Platz in Margareten.
Die Lambda berichtet also nicht nur von Ereignissen der LGBTIQ-Community, sie hat auch die Kraft, diese mitzugestalten. Sei es durch die Auseinandersetzung mit der eigenen Community und deren Veränderungen im Heft, sei es durch die Gastbeiträge vereinsfremder Schreibender, die ihre Anliegen lieber selbst vortragen möchten, sei es durch die Möglichkeit, künstlerische Werke aus der Community verschiedener Art aufzuarbeiten, und, und, und…
Viele mögen dieses historische Heft auch heute noch als Printausgabe in der Hand halten, während sie mit zitternden Händen auf ihre Verabredung in einem queeren Lokal warten, einfach nur, weil sie dort ausliegt. Für andere, wie mich, bedeutet die Lambda auch eine Möglichkeit, sich kreativ mit den Herausforderungen und Sternstunden unserer queeren Geschichte medial auseinandersetzen zu können.
Wir hoffen, dass Euch diese Jubiläumsausgabe an mancher Stelle vielleicht zu Tränen rührt, zum Denken anregt, oder zumindest den Tag versüßt, mit einem Lächeln zurückdenken lässt.
Einen herzlichen Dank an die Menschen, die unsere Lambda geboren und aufgezogen haben, einen Dank an alle, die sich noch heute um sie kümmern.
Auf dass Nummer 200 erst der Anfang war!