Tom Daley ist ein britischer Turmspringer, der bereits im Alter von sieben Jahren mit dem Kunstspringen begonnen hat und sich im Laufe seiner Springerkarriere aufs Zehn-Meter-Brett spezialisiert hat. Zusammen mit seinem damaligen Springpartner Blake Aldridge belegte er bei der Pekinger Olympiade 2008 im Synchronspringen Platz 8. Im Jahr darauf ging er bei der Schwimmweltmeisterschaft in Rom durch seinen Sieg im Turmspringen mit nur 15 Jahren als jüngster Weltmeister in die Annalen des Schwimmsports ein. Seine tollen Leistungen in jungen Jahren löste einen erheblichen Medienrummel um seine Person aus (gipfelte regelmäßig in Absurditäten wie Diskussionen um die Knappheit seiner eng anliegenden Speedos).
In den Wettkämpfen der Londoner Olympiade 2012 vertrat er sein Heimatland und gewann mit gerade einmal 18 Jahren die Bronzemedaille, obwohl im Jahr zuvor Daleys Vater an einem Hirntumor verstorben war und sich das massive Medieninteresse während der Olympiade störend auf seine Leistungen ausgewirkt hat.
Daleys Coming-out
In einer Auszeit nach der Londoner Olympiade lernte Daley 2013 Dustin Lance Black kennen – einen US-amerikanischen Aktivisten der Schwulenbewegung und Filmemacher, der im Jahr zuvor für sein Drehbuch zum Film „Milk“ mit dem Oscar ausgezeichnet worden war. Bis zu diesem Zeitpunkt war Daley noch ungeoutet und das sich an den Beginn ihrer Beziehung anschließende Coming-out Daleys schlug wie eine Bombe ein – die Medien stürzten sich auf jedes Detail über den allseits beliebten Sportler und waren seinerzeit voll von dieser Neuigkeit – nicht immer freundlich. Zum einen wurde der Altersunterschied thematisiert (Daley war damals 18, Black 38). Zum anderen überhaupt Daleys Homosexualität, weil für viele die Tatsache, dass ein Schwuler im Sport erfolgreich sein könnte, schier unvorstellbar war und stereotype Vorstellungen dadurch drastisch über den Haufen geworfen wurden.
Das Coming-out selbst gestaltete sich etwas holprig, da Daley in der Zeit davor ein Interview gegeben hatte, in dem er auf die Frage, wie er zu seiner wachsenden schwulen Fangemeinde stehen würde, eher ungeschickt geantwortet hatte. Für manche klang es so, als ließe ihn das Thema kalt und als würde Daley sich selbst damit von den Schwulen distanzieren. Tatsächlich scheint ihm im Hintergrund von Trainern, Sportfunktionären und Teamkollegen eher von einem Coming-out abgeraten worden zu sein. Die Gefahr, dass Sponsoren mitten in einer aktiven erfolgreichen Karriere abspringen könnten und diese damit vorzeitig an ihr Aus gelangen könnte, erschien zunächst als zu groß – zu unabsehbar waren der Einfluss der Homophobie im Sport und die Konsequenzen daraus, einmal als „schwuler Sportler“ abgestempelt zu werden.
Der Ungeoutete und der Schwulenaktivist
In eine andere Richtung dürften die Empfehlungen seines Boyfriends Dustin gegangen sein. Er hatte reichlich Erfahrungen mit den Medien als offen Schwuler. Erst 2012 hatte er für sein Drehbuch zum mehrfach ausgezeichneten und wirklich beeindruckenden Schwulenfilm „Milk“ über Harvey Milk, den ersten offen schwulen Bürgermeister in den USA, einen Oscar gewonnen. Dadurch hatte er sich einen Namen in Hollywood gemacht, obwohl er bereits zuvor andere Filmprojekte („The Journey of Jared Price“ oder „Pedro“ – das Biopic über den Aids-Aktivisten und Reality-Star Pedro Zamorra) realisiert hatte. Gleichzeitig ist Black auch als politischer Aktivist in der US-amerikanischen Schwulen- und Lesbenbewegung verankert – unter anderem hat er sich an der Bewegung für die Ehe für alle beteiligt. Er engagierte sich erfolgreich im Kampf gegen das kalifornische „Proposition 8“ – ein Eheverbot für Schwule und Lesben, das durch eine Volksbefragung in der kalifornischen Gesetzgebung verankert werden sollte, aber glücklicherweise scheiterte.
Auf alle Fälle folgte im Dezember 2013 dann das entscheidende YouTube-Video, in dem Daley erklärt, dass er in einem Mann verliebt sei. Darauf kamen vor allem positive unterstützende Reaktionen – gleichzeitig darf nicht unterschätzt werden, welch immensen Einfluss das Coming-out eines derart prominenten Sportlers für junge Menschen in der Coming-out-Phase haben kann. Hinzu kommt die mächtige Vorbildfunktion, die ein Mann wie Daley – der damals nur unwesentlich älter war als die meisten Jugendlichen in ihrem Coming-out – auszuüben imstande ist.
Gegen alle Negativschlagzeilen
Das frisch verliebte Paar ließ sich nicht beirren und ging nach Daleys Coming-out auf Fotos mit ihrer Homosexualität recht offen um. Immer wieder sorgte das auch für Negativschlagzeilen (unter anderem wurde Daley eine Affäre mit einem Männermodel nachgesagt). Daley trainierte weiter für Olympia 2016 in Rio – mit guten Medaillenaussichten, die zu einer Bronze Medaille führten. Und schließlich auch für die abgesagten Olympischen Spiele in Tokio 2020.
2015 gaben Black und Daley offiziell ihre Verlobung bekannt. 2017 haben die beiden geheiratet. Und im Juni 2018 kam der erste gemeinsame Sohn Robbie (benannt nach Daleys verstorbenem Vater) zur Welt. In Anbetracht der gemachten Erfahrungen mit den Medien veröffentlicht(e) das Paar jedoch bisher keine Bilder des Sohnes, auf denen sein Gesicht erkennbar wäre.
Die beiden Männer und ihre Bücher
Drei Bücher hat Daley inzwischen herausgebracht: „My Story“ – seine Lebensgeschichte bis Olympia 2012 (vor dem Coming-out) und auch die schmerzliche Erfahrung durch den frühen Tod des Vaters; außerdem „Tom’s Daily Plans“ und „Tom’s Daily Goals“ mit einfachen Fitness- und Ernährungstipps.
Aus der schwulen Perspektive relevanter ist dagegen Blacks Autobiografie seiner jungen Jahre: „Mama’s Boy“ – sie erzählt seine unwahrscheinliche Lebensgeschichte. In einen texanischen, konservativ-mormonischen Haushalt hineingeboren, werden er und seine Brüder von ihrer alleinerziehenden Mutter großgezogen, die an den Folgen einer Polioerkrankung leidet und daher zeitlebens auf Schienen und Krücken angewiesen ist. Die Ehen der Mutter enden in Misshandlungen und Gewalt. Dennoch gelingt es Blacks Mutter, ihre innere Stärke und ihren unbeugsamen Optimismus an den Sohn weiterzugeben. Mit 21 Jahren hat Black das Coming-out gegenüber seiner Mutter, die seine Homosexualität anfänglich als Entscheidung für die Sünde abtut. Das führt zum Konflikt zwischen Mutter und Sohn. Doch über die Jahre können die beiden den Graben überwinden, der sich zwischen ihnen aufgetan hat. Die Begegnungen mit Blacks Freunden, die vom Verstoßen-werden durch ihre Familien berichten, jedoch liebevolle Beziehungen führen, an denen nichts Schlechtes in den Augen von Blacks Mutter zu sein scheint, führen bei ihr zu einem Sinneswandel; sie mutiert zu einem der eifrigsten Unterstützer ihres Sohnes – trotz aller religiös motivierten Bedenken gegen dessen Homosexualität.
Wir können gespannt sein auf ein autobiografisches Buch der beiden, dass sich mit ihrer Zeit als verheiratetem Schwulenpaar mit Kind (bei Partnern aus so verschiedenen Richtungen) und mit ihrem Engagement als Homo-Aktivisten befasst. Denn gerade ihr Erwachsenenleben ist voller faszinierender Aspekte, die es wert wären, veröffentlicht zu werden. Gerade hier entfaltete sich die Vorbildfunktion dieses schwulen Heldenpaares – mehr davon! λ