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Strafrechtliche Aspekte von Sexualkontakten bei HIV-Infektion

Schon als in den 1980er Jahren die AIDS-Pandemie ausbrach, wurde die Strafbarkeit von sexuellen Handlungen, bei denen HIV-positive Personen bzw. (damals noch relevanter) an AIDS Erkrankte beteiligt waren, diskutiert. Medizinisch hat sich ja seitdem enorm viel weiterentwickelt und so unterlag die strafrechtliche Beurteilung von in diesem Zusammenhang stehenden Handlungen einem Wandel. Mit strafrechtlicher Beurteilung ist gemeint, dass man* für seine Handlungen von einer*einem Strafrichter*in gegebenenfalls zu einer Geldstrafe oder Freiheitsstrafe, die auch bedingt nachgesehen werden kann („Bewährungsstrafe“), verurteilt werden kann und die Verurteilung im Strafregisterauszug aufscheint, man* also kein positives Leumundszeugnis mehr vorweisen kann.

Die folgenden Ausführungen beschäftigen sich mit dem Szenario, dass eine HIV-positive und eine HIV-negative Person Vaginal- oder Analsex haben (da diese Praktiken die wichtigsten potentiellen sexuellen Übertragungswege der Infektion darstellen).

Wenn es zu einer Infektion tatsächlich gekommen ist, dann wäre die Verwirklichung von Körperverletzungsdelikten, allen voran § 88 Strafgesetzbuch (StGB) – fahrlässige Körperverletzung – zu prüfen. Ein Schuldvorwurf kann dann gegeben sein, wenn Safer-Sex-Standards nicht eingehalten wurden. Mit heutigem Stand der Rechtsprechung ist bei Einhaltung von Safer-Sex-Standards jedenfalls keine Strafbarkeit gegeben. Sex bei Einhaltung von Safer-Sex-Standards stellt kein „sozial inadäquat gefährliches Verhalten“ dar, welches für jegliche Strafbarkeit gefordert ist.

Auf Grund des heutigen medizinischen Fortschritts entspricht bzgl. Schutz vor HIV-Infektionen nicht nur der Gebrauch von Kondomen Safer-Sex-Standards (wobei selbstverständlich bei Vaginal- oder Analverkehr nur das Kondom auch vor bestimmten anderen Erkrankungen schützt), sondern auch der Gebrauch der PrEP (Prä-Expositions-Prophylaxe). Es wird außerdem bzgl. Schutz vor HIV-Infektionen als Safer-Sex gesehen, wenn die*der HIV-positive Partner*in erfolgreich (idealerweise schon bereits über mehrere Monate hinweg) gegen die Immunschwäche laufend therapiert wird und dabei regelmäßig ihre*seine Medikation einnimmt, sodass sich die Viruslast unter der Nachweisgrenze befindet (Treatment as Prevention – TasP). Entgegen dem hat das LG Klagenfurt unlängst eine HIV-positive Person, der mittels TasP verhütete, wegen § 179 StGB (noch nicht rechtskräftig) auf Basis eines fragwürdigen medizinischen Sachverständigengutachtens verurteilt. Die Entscheidung im Instanzenzug bleibt abzuwarten.

Bei Fragen um die Strafbarkeit geht es aber nicht nur darum, ob es zu einer Infektion tatsächlich gekommen ist, sondern auch darum, ob die Handlung des sexuellen Aktes zwischen den konkreten Partner*innen per se die Gefahr einer Übertragung in sich birgt. Dazu gibt es im StGB die §§ 178 und 179, die Delikte mit dem Inhalt der „Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten“ normieren. Wenn jemand* eine Handlung begeht, die geeignet ist, die Gefahr der Verbreitung einer übertragbaren Krankheit unter Menschen herbeizuführen, wenn die Krankheit ihrer Art nach zu den wenn auch nur beschränkt anzeige- oder meldepflichtigen Krankheiten gehört (dazu zählt die Infektion mit dem HI-Virus, nicht aber z.B. banale Erkältungsinfektionen), besteht bei vorsätzlicher Begehung eine Strafdrohung von bis zu 3 Jahren Freiheitsstrafe, (bei fahrlässiger Begehung von bis zu 1 Jahr Freiheitsstrafe oder Geldstrafe von bis zu 720 Tagessätzen); dies sind allerdings nur die Höchststrafen. Geschütztes Rechtsgut hierbei sind die Allgemeingesundheit der Gesellschaft und das Ziel von Epidemiebekämpfungen. Es handelt sich um „Gefährdungsdelikte“: Allein die Verbreitungseignung der Erkrankung reicht zur Erfüllung des Tatbilds aus, ohne dass es zu einer tatsächlichen Ansteckung im konkreten Fall kommen muss. Dies ist nicht so auszulegen, dass der sexuelle Kontakt einer HIV-positiven Person mit einer HIV-negativen per se eine Verbreitungseignung inne trägt! Eine solche unrichtige Rechtsauffassung hieße, dass HIV-positive Personen sexuell stark eingeschränkt wären; es wurde in früheren Jahrzehnten selbige Auffassung aber ab und an vertreten und trieb so manchen Betroffenen Angstschweiß auf die Stirn, ins Visier der Strafverfolgungsbehörden zu gelangen, wie Zeitzeug*innen berichten können.

Aus §§ 178 und 179 StGB lässt sich also die Verpflichtung für Sexualpartner*innen mit unterschiedlichen HIV-Status ableiten, Gefährdungen zu verhindern, somit also Safer-Sex-Standards einzuhalten. Wenn eine HIV-Infektion bekannt ist, und „unsafer Sex“ wird praktiziert, kommt eine Strafbarkeit nach § 178 StGB in Betracht (Vorsatzdelikt). In welchen Fällen das Fahrlässigkeitsdelikt nach § 179 StGB verwirklicht sein könnte, ist sehr spekulativ. Ein generell un­safes und risikoreiches Sexualverhalten mit wechselnden Partner*innen ohne sich dabei regelmäßig HIV-Tests zu unterziehen, könnte meines Erachtens den Tatbestand womöglich erfüllen.

Es besteht zwar keine Verpflichtung ­der*des HIV-positiven Partnerin*Partners über den positiven HIV-Status aufzuklären; sollte umgekehrt jedoch die*der HIV-negative Partner*in den positiven HIV- Status die*der anderen kennen und es wird in der Folge Sex ohne Einhaltung von Safer-Sex- Standards praktiziert, machen sich beide (!) Sexualpartner*innen (als unmittelbare Täter) gem § 178 StGB strafbar! Also auch die*der HIV-negative Partner*in! Eine Einwilligung in eine solche Gefährdung befreit die*den HIV-negativen Partner*in von der Strafbarkeit nicht, weil geschütztes Rechtsgut nach § 178 StGB eben die Allgemeingesundheit der Gesellschaft ist!

Rein von den Fallzahlen spielt all dies im Vergleich zu vergangen Jahrzehnten eine untergeordnete Rolle. Unrühmliche Aktualität kann das Thema beim Aufkommen neuer, nicht (erfolgreich) therapierbarer Geschlechtskrankheiten wiedererlangen. Im Übrigen sind die genannten StGB- Bestimmungen ja nicht nur bei der Verbreitung von Geschlechtskrankheiten, sondern bei allen möglichen übertragbaren anzeige- oder meldepflichtigen Krankheiten grundsätzlich anwendbar. So wurde bereits nach § 178 StGB verurteilt, weil in Kenntnis der COVID-19-Infektion gegen die Heimquarantäne verstoßen wurde und es Kontakt mit anderen Menschen gegeben hatte. λ

Quellen:
Rechtsgutachten von Dr. Hubert Hinterhofer „AIDS, HIV und Strafrecht – Zur Strafbarkeit von Sexualkontakten HIV-infizierter Personen nach den §§ 178, 179 StGB“
Interviews mit dem Rechtskomitee Lambda und RA Dr. Helmut Graupner

Von Günther Menacher

Jurist mit Schwerpunkt Wohn- und Immobilienrecht
(Foto: © Jansenberger Fotografie - www.digitalimage.at)