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Jugendstil

Raum für die Jugend!

Die letzten Monate waren für alle nervenaufreibend. Besonders aber für die Jugend bedeutet diese Krise eine massive Einschränkung ihrer Möglichkeiten.

Auch wenn es in unserer Generation keine mit Covid-19 vergleichbare Krise gab, haben uns schon andere Herausforderungen die Schwächen des Systems, in dem wir momentan leben, aufgezeigt. Denn je mehr Privilegien ich habe, desto mehr Möglichkeiten habe ich mit den Steinen, die mir in den Weg gelegt werden, umzugehen.

Die ungleiche Verteilung von Besitz trennt auch in Österreich Privilegierte von Unprivilegierten. Aber was bedeutet das konkret für benachteiligte Gruppen wie eben queere Jugendliche? Es bedeutet eine noch stärkere Ausprägung von Ungleichheit. Wohne ich bei meinen Eltern, muss ich mich allgemein schon an bestimmte Regeln halten, ohne völlig frei darüber entscheiden zu können, wen ich einlade, wie ich mich verhalte und manchmal auch wie ich mich anziehe. Nun gibt es in einer Welt vor der globalen Pandemie Orte, zu denen ich gehen kann, um diesen Einschränkungen zu entfliehen. In Wien sind das für queere Personen unter 18 schon vorher wirklich wenige Orte gewesen. Ich konnte mich draußen mit Menschen treffen, es gab und gibt wieder unseren Jugendabend im Gugg, vielleicht hatten Freund*Innen die Möglichkeit, mich zu sich einzuladen, aber dann wurde es mit den Optionen schon langsam eng.

In dem Moment, als ohne Vorwarnung all diese Möglichkeiten einfach wegfielen, war das für einige von uns eine Katastrophe. Auch die Mitt-Zwanziger waren teilweise aus finanziellen Nöten heraus gezwungen, wieder mit ihren Eltern zusammen zu wohnen. Einige haben das Glück, liebevolle und offene Eltern zu haben, die den queeren Identitäten ihrer Kinder unterstützend gegenüberstehen. Doch was machen diejenigen von uns, die von ihrer Familie schikaniert, ausgegrenzt oder sogar vor die Tür gesetzt werden?

Genau dann machen die Besitzfrage und der Zugang zu Raum den entscheidenden Unterschied. Wenn meine Familie ein großes Haus oder eine zweite Wohnung besitzt, in die ich mich im Zweifelsfall zurückziehen kann, fallen zum Beispiel Konflikte tendenziell weniger schwerwiegend aus.

Außerdem beobachten wir momentan ein Sterben von alternativen, offenen queeren Räumen, wie es in dieser Intensität wohl noch nie der Fall gewesen ist. Natürlich halten sich ein paar der ohnehin sehr kommerziell ausgerichteten Clubs, Events und Bars über Wasser, aber die Orte, an denen sich eher junge Queers ohne Konsumzwang und ohne die altbekannte „Jagdmentalität“ einiger kommerziell ausgerichteter Angebote frei ausleben können, waren schon vor der Krise rar und bilden jetzt ein endgültiges Vakuum. Eine Lücke für junge Erwachsene, die keine reiche Familie haben, und ihre Bekannten nicht schnell mal in eine ihrer Sommerresidenzen einladen können, um eine große Party zu feiern. Eine Lücke für Jugendliche, die in einem queeren Raum existieren wollen, ohne sich von betrunkenen Gästen einer Club­atmosphäre „angraben“ lassen zu müssen.

Eine Möglichkeit, die in hoffentlich naher Zukunft Realität wird, ist das von uns geforderte und nun bereits beschlossene queere Jugendzentrum. Dort soll ein solcher Raum für Leute geschaffen werden, die sich noch in ihrer jugendlichen Entwicklung als queere Person befinden und mehr Unterstützung brauchen als einen wöchentlichen Jugendabend, der von Ehrenamtlichen getragen wird.

Gerade angesichts der bevorstehenden Wien-Wahl ist es wichtig sich vor Augen zu führen, wer unsere Rechte effektiv vertreten möchte und auch wirklich offen für uns einsteht!

Es braucht mehr Räume für Leute unserer Gemeinschaft, die weder über die Macht, das Geld oder den Einfluss verfügen, sich diese Räume selbst zu schaffen. Und das sind eben vor allen anderen die Menschen der queeren Jugend. λ

Von Mo Blau

HOSI Wien transgender Referat, früher Coming-Out-Team
(Foto: © Marie Dvorzak)