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Editorial

Gesundheit ist das höchste Gut

Ich glaube, gerade in den letzten Monaten ist dies für uns alle noch spürbarer geworden. Gerade in Zeiten von Corona wurde wieder deutlich, wie schnell und hart eine solche Krise die LGBTIQ Community treffen kann. Niederschwellige Anlaufstellen waren geschlossen, Beratungen in ihrer üblichen Form nicht möglich und die Aids Hilfe konnte keine Tests anbieten. Und ein virtueller Jugendabend wird nie reale Interaktionen ersetzen können. Seit das Gugg wieder geöffnet ist, haben wir einen großen Zulauf an neuen Besucher*innen zu verzeichnen. Es verdeutlicht noch mehr, warum eine Professionalisierung der queeren Jugendarbeit zusätzlich zur ehrenamtlichen Arbeit notwendig ist. Umso mehr freue ich mich, dass der Gemeinderat die Einrichtung eines queeren Jugendzentrums beschlossen hat. Nur ein unabhängiges, gut finanziertes und mit in LGBTIQ-Themen gebildeten Mitar­beiter*innen besetztes queeres Jugendzentrum kann LGBTIQ Jugendlichen die zusätzliche Unterstützung bieten, die sie verdienen. Mein besonderer Dank gilt den Abgeordneten der SPÖ, der Grünen und der NEOS, die den Antrag gemeinsam eingebracht haben.

Die Wiener Gemeinderatswahl steht vor der Tür. Eine wichtige Wahl gerade für die LGBTIQ Community. Da auf Bundesebene die Hoffnung immer weiter schwindet in der bestehenden Konstellation große Fortschritte zu erzielen, ist die Besetzung unseres Gemeinderats umso wichtiger. Das Küren des Siegerentwurfs des Denkmals für die Opfer der NS Homosexuellen-Verfolgung und der Beschluss des Queeren Jugendzentrums stimmen mich hoffnungsvoll für weitere positive Entwicklungen auf Landesebene. Jedoch stehen diese in krassem Kontrast zur Reaktion eines FPÖ-Abgeordneten, der das während des Pride-Monats an ihn verteilte Regenbogenfähnchen, sich dabei filmend, in den Mistkübel warf. Um dieses Video später online zu veröffentlichen. Deshalb ist es noch wichtiger vom eigenen Recht Gebrauch zu machen und eine durchdachte Wahl zu treffen.

Gesundheit ist ein Thema, welches unsere Community seit Generationen beschäftigt. Beim Aufräumen unserer Lager letzte Woche sind wir auf acht alte Banner gestoßen. Beim Ausrollen der Banner wurde uns bewusst, dass es sich um Banner des „Names Project Wien“ handelte, auf denen Namen und Sterbedaten der an Aids verstorbenen Mitglieder unserer Community aufgelistet sind. Eine eindringliche Warnung, in welch verheerendem Ausmaß dieser Virus unsere Community getroffen hat. Aber auch heute sind HIV und STDs (Sexually transmitted diseases) wichtige Themen, über die wir reden müssen! Selbst oder gerade im Zeitalter von PrEP. Multiresistente STDs, vor denen nur Kondome und Dental dams (Lecktücher) schützen, sind mittlerweile in Österreich ein Problem. Trotzdem werden HIV und STDs immer noch nicht ausreichend im Aufklärungsunterricht an Schulen thematisiert. Geschweige denn, dass es Aufklärung über nicht heterosexuellen Geschlechtsverkehr geben würde.

Gesundheit ist aber auch im Privaten relevant. Unser Obmann Moritz Yvon musste aus gesundheitlichen Gründen sein Ehrenamt niederlegen. Er hat nicht nur den Modernisierungsprozess der HOSI Wien maßgeblich mitgestaltet, sondern auch die EuroPride 2019 durch seine umsichtige Leitung und sein Wirken in der Wiener LGBTIQ-Community zu dem gemacht, was sie war. Mit 500.000 Teilnehmer*innen ist sie die größte Demonstration in der österrei­chischen Geschichte und ein Regenbogenfest der Vielfalt.

Liebe Mitglieder, liebe Unterstützer*innen, liebe Leser*innen, ich freue mich mit Ihnen gemeinsam in den nächsten Jahren die Geschichte der HOSI Wien weiter schreiben zu dürfen. Bitte gehen Sie wählen und vor allem: Bleiben Sie gesund.λ

Von Ann-Sophie Otte

Obfrau HOSI Wien (Foto: © Marie Dvorzak)