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Editorial

Abschied als Obmann


Wenn die Gesundheit einen vorzeitigen Rücktritt erzwingt

Liebe Mitglieder der HOSI Wien,
liebe Freund*innen und Unterstützer*innen,
liebe Interessierte!

In den letzten Wochen und Monaten haben wir alle gesehen, dass ohne die Gesundheit nichts mehr geht. Das gilt nicht nur im Großen, sondern auch im Kleinen und Persönlichen: Auf dringenden ärztlichen Rat bin ich am 3. August als Obmann zurückgetreten. Die Führung der Vereinsgeschäfte hat damit unsere Obfrau Ann-Sophie Otte gemeinsam mit dem Vorstand übernommen, dem alle seine Mitglieder erhalten bleiben. Ich werde dem Vorstand weiterhin angehören, nachdem dieser mich einstimmig zum Vereinssekretär ernannt hat, um die HOSI Wien weiterhin unterstützen zu können.

Diese Entscheidung ist mir nicht leicht gefallen, denn von euch, den Mitgliedern der HOSI Wien, zum Obmann gewählt zu werden, war nicht nur eine Ehre, sondern auch eine Verpflichtung. Die Erneuerung und Öffnung unseres Vereins, zu der ich 2018 angetreten bin, nicht vollständig umsetzen zu können, bevor ich diese Aufgabe weitergebe, bedaure ich sehr. Es ist zwar viel weitergegangen, so hat sich die HOSI Wien etwa in dieser Zeit vollständig für die Anliegen von transgender und intergeschlechtlichen Menschen geöffnet und deren Vertretung in ihre Statuten aufgenommen, doch es gäbe natürlich noch ei­niges zu tun. Aber das waren die Pläne, als ich noch gesund war, und so muss ich hier vorzeitig die Staffel weitergeben.

Dabei bin ich ungeheuer froh, dass wir mit Ann-Sophie eine Obfrau haben, die sich in den letzten Monaten mit großer Energie und Kenntnis in diese ehrenamtliche Aufgabe eingearbeitet hat und uns eine hervorragende Obfrau sein wird. Und mit Katharina Kacerovsky bleibt auch die Geschäftsführung der Stonewall GmbH in bewährten und international anerkannten Händen. Ich danke ihnen beiden sehr, dass ich bei ihnen die HOSI Wien und die Vienna Pride gut aufgehoben weiß und damit diesen Schritt zurück tun kann. Ihretwegen kann ich das ruhigen Herzens.

Ich freue mich dabei besonders über zwei Dinge, die wir in meiner Zeit als Obmann erreichen konnten: Dass das permanente Mahnmal für Männer und Frauen, die Opfer der Homosexuellen-Verfolgung in der NS-Zeit wurden, nun endlich errichtet wird, ist mir eine besondere Herzensangelegenheit. Die andere ist das Queere Jugendzentrum, das der Wiener Gemeinderat in der Wiener Kinder- und Jugendstrategie beschlossen hat. Beides sind ­große Erfolge für die Wiener LGBTIQ-Community, und dass die Stadt Wien diese nun umsetzt, zeigt, wie viel wir gemeinsam erreichen können.

Meinen Teil dazu beigetragen haben zu können, macht mich zutiefst dankbar gegenüber den Mitgliedern, Ehrenamtlichen und dem gesamten Team der HOSI Wien, aber auch vielen Menschen darüber hinaus, sei das in der Wiener LGBTIQ-Community oder Unterstützer*innen von außen. Als Obmann steht man vorne, doch ohne den Einsatz, die Arbeit, die Geduld und den Rat so vieler anderer wären die Erfolge nicht möglich gewesen. Mir war wichtig, dem Verein und der Community, der ich mein eigenes Coming-out und ein so freies Leben verdanke, ein bisschen etwas zurückzugeben. Ich hoffe, das ist mir gelungen.

Es war eine spannende, schöne, erfahrungsreiche und manchmal auch anstrengende Zeit. Obmann der HOSI Wien zu sein war eine große Freude und Ehre, eine Aufgabe, die ich wirklich gerne übernommen und zwar sicher nicht frei von Fehlern, aber nach bestem Wissen und Gewissen ausgeführt habe. Diese Aufgabe geht für mich jetzt zwar anders und vor allem früher als geplant zu Ende, aber wie John Lennon schon so treffend bemerkte: „Life is what happens to you while you’re busy making other plans.“λ

Von Moritz Yvon

HOSI Wien Vereinssekretär, früherer Obmann HOSI-Wien
Foto: Matt Observe