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Abgrenzung der Psychotherapie zu religiösen und spirituellen Angeboten

Psychotherapie ist als eigenständiges Heilverfahren anerkannt, das auf wissenschaftlich fundierten Methoden basiert. Sie soll gemäß Psychotherapiegesetz u. a. Verhaltensstörungen und Leidenszustände heilen oder lindern, gestörte Verhaltensweisen und Einstellungen ändern und die Reifung, Entwicklung und Gesundheit von Patient:innen fördern. Sie muss sich entsprechend einschlägiger psychotherapeutischer Richtlinie des Psychotherapiebeirats klar von esoterischen, spirituellen und religiösen Angeboten abgrenzen.

Das Psychotherapiegesetz stellt sicher, dass Psychotherapie auf wissenschaftlichen Methoden basiert und von fachlich qualifizierten Personen durchgeführt wird. Der Ausbildungsweg mit abschließender Eintragung in der Psychotherapeutenliste sowie verpflichtende laufende Supervisionen und Weiterbildungen garantieren ein Mindestmaß an Kompetenz, was ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal zu esoterischen und spirituellen Angeboten darstellt, die oft keine vergleichbaren Ausbildungs- und Qualifikationsstandards haben. Darüber hinaus geht aus dem Berufskodex der Psychotherapeut:innen hervor, dass Würde und Autonomie der Patient:innen zu achten sind und eine ideologisch und weltanschaulich neutrale Haltung einzunehmen ist. Damit sei natürlich nicht gesagt, dass religiöse und spirituelle Angebote Würde und Autonomie der Menschen missachten würden, es ist aber jedenfalls umgekehrt festgeschrieben, dass gerade Psychotherapie frei von Indoktrination und Manipulation sein muss und keine eigenen oder fremden Interessen über das Wohl der Patient:innen gestellt werden dürfen.

Esoterische, spirituelle oder religiöse Angebote sind in Abgrenzung zur Psychotherapie häufig nicht standardisiert und entbehren einer wissenschaftlichen Grundlage. Es kann zu nicht einlösbaren Heilversprechen kommen. Psychologische Theorien und Methoden beruhen auf Wirksamkeitsnachweisen (wohingegen sich z.B. Religion großteils mit nicht nachweisbaren Antworten auf transzendente Fragen beschäftigt). Psychologische Theorien und Methoden sind weiters öffentlich zugänglich/publiziert und Behandlungen stehen mit ihren Kosten in einem annehmbaren Verhältnis. Nicht zuletzt gibt es nur bei Psychotherapie, nicht aber bei religiösen oder spirituellen Angeboten, einen eventuellen Kostenersatz durch die Krankenkasse.

Aus dem Psychotherapiegesetz lässt sich schließen, dass die Vermischung von psychotherapeutischen Angeboten mit esoterischen, spirituellen oder religiösen Praktiken zu unterlassen ist. Z.B. muss ein Seelsorger, der auch Psychotherapeut ist, strikt trennen, welche Rolle er in einer konkreten Situation ausübt: In der seelsorgerischen Tätigkeit können religiöse Elemente wie Gebete eingebracht werden, was jedoch in der psychotherapeutischen Praxis unzulässig ist, da hier eben andere fachliche und ethische Standards gelten.

Besondere Vorsicht geboten ist vor sektenähnlichen Gruppierungen im Umfeld von Esoterik, Spiritualität, „Schamanismus“ etc. Sie können das Individuum entmündigen, indoktrinieren und finanziell ausbeuten. Zu weiteren prominenten Negativbeispielen fragwürdiger Angebote gehören „Konversionstherapien“/„Umpolungsversuche“, bei denen mittels (schein)religiöser Methoden versucht wird, die sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität der zu „therapierenden“ zu verändern. Sie entbehren jeglicher wissenschaftlicher Grundlage, sind außerdem ethisch verachtenswert und sowieso unwirksam und teuer. Selbst wenn Elternteile der sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität ihres Kindes ablehnend gegenüberstehen sollten, sei ihnen gesagt, dass sie durch solche „Therapie“angebote sowieso nichts erreichen außer Geld zu verlieren (und ihre Kinder darüber hinaus noch zu schädigen).

Unabhängig von allem oben Gesagtem sind Religion und Spiritualität keinesfalls ohne Wert! Sie können selbstverständlich von der Psychotherapie abgekoppelt gewisse Existenzfragen individuell befriedigend klären, transzendente Betrachtungsweisen aufzeigen, die die Psychotherapie nicht aufzeigen kann, und für den Menschen daher ebenfalls sehr hilfreich sein. Nur sollte man sich stets im Klaren sein, dass über die Grenze empirischer Wissenschaftlichkeit hinausgegangen wird.

Von Günther Menacher

Jurist mit Schwerpunkt Wohn- und Immobilienrecht
(Foto: © mb_artsss)