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Menschen ohne Geschichte sind Staub

Anna Hájková ist Historikerin mit dem Schwerpunkt europäische Geschichte des zwanzigsten Jahrhunderts. Sie forscht und publiziert zur jüdischen Alltagsgeschichte und zur queeren Geschichte des Holocaust. Sie lehrt Modern Continental European History an der Universität Warwick und forscht über die Geschichte des Holocaust; zuletzt erschienen: „Menschen ohne Geschichte sind Staub. Homophobie und Holocaust“ (2021), 2. erweiterte Auflage 2024, mit einem Vorwort von Tessa Ganserer (Bundestagsabgeordnete – Bündnis 90/Die Grünen), erschienen im Wallsteinverlag.

Der Titel des Buches, den ich persönlich sehr poetisch empfinde, ist laut Hájková dem Zitat eines KZ-Überlebenden zu verdanken. Er wird auch dem Inhalt des Buches voll und ganz gerecht, denn Hájková schafft es tatsächlich, den von ihr beschriebenen Menschen ein Gesicht zu geben und sie aus der historischen Dunkelheit ins Licht unserer queeren Gegenwart zu holen. Sie erklärt eingehendst wie es dazu kam, dass die Geschichten gleichgeschlechtlicher Liebe in den Konzentrations/Vernichtungslagern der NS Schreckensherrschaft retuschiert worden sind. So etwa auf Seite 27/28: „Eine spezifische Form der queeren Ausradierung kann man an dem Interview von Irene Miller erkennen, einer „halbjüdischen“ lesbischen Widerstandskämpferin aus Prag…..das ganze Interview hindurch bemühte sich Miller, ihre sexuelle Orientierung und ihre Partnerin zur Sprache zu bringen, die tat es auf die Art wie jemand ihrer Sozialisation und Generation getan hätte: sie sprach von „Mitbewohnerin“. Der Interviewer jedoch ließ es nicht zu – er erkannte nicht was Miller ihm zu sagen versuchte, vielleicht auch weil Homosexualität für ihn in seiner heteronormative Denkweise gar nicht vorkam.“ Laut Hájková reagieren Interviewende sehr oft mit lenkenden Fragen sobald queere Themen zur Sprache kommen.

Was ich besonders interessant an diesem Buch finde ist, dass sie hier ganz offen von den gelebten Sexualitäten in den Konzentrationslagern erzählt und dabei auch nichts beschönigt und auch die Opfer in all ihrer Ambiguität und ohne Kitsch beschreibt.

So schreibt sie auch auf Seite 39: „Wenn wir eine inklusivere Geschichte anstreben, sollten wir uns den ambivalenten Geschichten annehmen“.

Basierend auf umfassender Archivforschung und Oral History bietet die zweite erweiterte Auflage des Klassikers „Menschen ohne Geschichte sind Staub“ einen prägnanten Einblick in queere Geschichte des Holocaust für Anfänger*/Innen und Fortgeschrittene. Die zahlreichen Fußnoten sind vor allem auch für jene Leser*/Innen von Interesse, die sich intensiver mit dieser Thematik auseinandersetzen möchten.

Von Barbara Fröhlich

Names Project Wien