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Trans gender – straight Sex

So! Es reicht! Ab sofort nenne ich meine endo-cis Freundin einfach Horst. Mal schauen was passiert.

Verkehrte Welt

Es ist ja nicht von der Hand zu weisen. Wir Trans sind einfach fĂŒrchterlich anstrengend. Irgendwie wollen wir einfach nicht in die kleine heile endo-cis Welt passen. Wir Trans sind so richtig böse und machen auch wirklich alles kaputt, was so unglaublich mĂŒhsam in den vergangenen Jahrhunderten aufgebaut und verteidigt wurde: Die Bastion der BinaritĂ€t. Dabei steht es doch schon in den alten Schriften. Welchen? Jenen des Platonschen Kugelmenschen zu denen Simone Weil 1951 meinte, das UnglĂŒck der Menschheit liege eben in jener DualitĂ€t?

Es ist wirklich schrecklich mit uns Trans. Wenn man uns falsch anspricht, gehen wir entweder gleich in die Luft oder es scheint uns dann doch nicht so ernst damit zu sein. Irgendwie könnt Ihr Euch bei uns ja wirklich nicht auskennen. Mal zu maskulin, mal zu feminin, dann wieder gar nicht zuzuordnen. Also was denn jetzt? Ist die Beule unter der Kleidung echt? Und dann noch diese politische Korrektheit. Wir machen es Euch ja auch wirklich nicht leicht.

Am besten, wir lassen das mit dem Geschlecht gleich. Das macht doch gleich alles viel einfacher. Kein Gendern, keine political correctness. Ach was? Geht nicht? Es gibt ja doch Unterschiede? Ach ja, die hart erkÀmpften emanzipativen Privilegien. Das wird dann alles so ahistorisch?

Wir sind ja so unglaublich frech. Ja, es ist geradezu impertinent, wie wir Trans uns aufdrĂ€ngen. Da trauen wir uns einfach mit dem stĂ€ndig irgendwie verpatzten, weil doch nicht absoluten perfekten Passing als Trans zu leben und stellen die Welt auf den Kopf. Wir machen auch wirklich alles Verbotene und mĂŒssen auch tatsĂ€chlich alles an- und ausprobieren, können einfach nichts auslassen. Woher nehmen wir Trans nur die Frechheit, all die Grenzen zu sprengen, die Endo-Cis so sorgsam behĂŒten?

Und zuweilen stellen wir schon von klein auf unglaubliche AnsprĂŒche und stĂŒrzen ganze Familien ins soziale und finanzielle Aus. Wie soll das denn alles gehen? Wie sollen wir es den Anderen sagen? Dabei können wir so unglaublich stur und beharrlich sein. Wie ist das dann mit Enkelkindern? Wir Trans sind einfach die reine Katastrophe.

Noch schlimmer ist es, wenn wir erst im höheren Alter nach Außen zeigen, wer und wie wir sind. Wir verraten wirklich alles. All Eure schönen und glĂŒcklichen Jahre. Alles, was wir gemeinsam aufgebaut haben. Klar kriegt ihr das Haus, das Auto und die Kinder. Wir haben Euch ja angelogen. Wir haben Euer Vertrauen missbraucht. Wir haben Euch betrogen. Wir hatten uns bei Euch eingeschlichen. Wir haben Euch einfach um das vergangene familiĂ€re und freundschaftliche Leben gebracht. Das war alles nur heiße Luft. Die ganze Fassade ein TrĂŒmmerhaufen. Wir Trans sind einfach eine Zumutung.

Einmal gerade rĂŒcken bitte

All das Obige stellt nur einen Auszug davon dar, womit Trans konfrontiert werden. Das geht bis zum Vorwurf der betrĂŒgerischen Absicht, der Erschleichung von Privilegien und IdentitĂ€tsdiebstahl. Gemeinsam ist den VorwĂŒrfen eine TĂ€ter*innen/Opfer-Umkehr, wie bei fast allen Diskriminierungen. ZusĂ€tzlich kommt es sehr oft zu einer Diskreditierung oder zum Vorwurf, unser Sein als Privileg ausnutzten zu wollen. Das alles natĂŒrlich auf Kosten der „armen“, meist hetero, Endo-Cis. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass es so wenig Trans in der Öffentlichkeit gibt. Immer wieder höre ich von Trans-Aktivist*innen, dass sie sich zurĂŒckziehen und einfach mal leben wollen. Dahinter stecken immer wieder Konflikte und Erfahrungen mit Endo-Cis.

Als „Vertrauensindikator“ könnte die Frage QCR6 aus dem Eurobarometer 2019 herangezogen werden. (Spezialauswertung fĂŒr Österreich) Hier spiegeln sich alle „Vorurteile“ wider (siehe Grafik).

Umso problematischer ist es, wenn Diskriminierungen auch in vermeintlich geschĂŒtzten und zuweilen als trans*welcome deklarierten RĂ€umen der LGBTIQ* Community stattfinden.

Da behauptet ein Schwuler in einer LGBTIQ*-Veranstaltung, Trans bekÀmen alle Operationen bezahlt, wÀhrend er, zugegeben nicht mehr ganz jung, kein Facelifting auf Kosten der Krankenkasse bekÀme.

Nun. Die Krankenkassen in Österreich ĂŒbernehmen nur die allerwichtigsten Kosten zur GĂ€nze: Hormone, die OPs zwischen den Beinen und Brust-OPs (bei Transfrauen aber auch nicht jede). Ob der gute Mann sich fĂŒr die KostenĂŒbernahme einem psychologischen und psychiatrischen Gutachten unterziehen wĂŒrde?

Da lacht ein Schwuler in einer Schwulensauna bei der Kontaktanbahnung einen Transmann nach dessen Outing einfach aus.

Der Hintergrund dieser bodenlosen EntwĂŒrdigung bleibt unbekannt. Max meint, es könnte Verunsicherung gewesen sein, da dem Schwulen wohl nicht klar war, dass sich in der Sauna nicht nur endo-cis MĂ€nner aufhalten.

Da wird eintem Trans in einer Selbsthilfe Gruppe hens Trans-Sein abgesprochen, da hen sich nicht operieren lassen und auch keine Hormone nehmen will.

Man könnte meinen, die Sex-Orientation-Scale von Harry Benjamin aus dem Jahr 1966 gelte immer noch. Ab Stufe 5 bist Du dabei, sonst bist Du draußen. Dies sagt allerdings nichts ĂŒber die innewohnende Seele.

Die LGBTIQ*-Leitung eine Gleichbehandlungsstelle behauptet steif und fest, Transfrauen wĂŒrden sich mit der PersonenstandsĂ€nderung ja nur ein niedrigeres Pensionsalter erschleichen.

Also gut. Das durchschnittliche Pensionsantrittsalter bei MĂ€nnern lag in Österreich 2019 bei 61,5 Jahren. Das Regelpensionsalter fĂŒr Frauen steigt in den letzten Jahren je Jahrgang an und liegt fĂŒr den Jahrgang 1965 eben dort. Außerdem kann jedai das Geschlecht in der Vorausberechnung Ă€ndern und wird feststellen, dass die Versicherungsjahre mitentscheidend fĂŒr die Höhe der Pension sind. Ganz abgesehen von den Problemen, die eine Personenstands-Ă€nderung mit sich bringt, stellt sich ernsthaft die Frage nach dem Vorteil.

In FLINT-RĂ€umen machen Trans sehr oft die Erfahrung, dass ihre Erfahrungen und BedĂŒrfnisse durch die mehrheitliche und dominante endo-cis SelbstreferentialitĂ€t unsichtbar gemacht werden. Misgendering und Missachtung des Pronomens sind keine EinzelfĂ€lle.

„Frauen*“ oder „trans*welcome“ in FLINT-RĂ€umen lösen bei Trans und auch bei Inter und Non-Binary durchaus gemischte GefĂŒhle und/oder gar Dysphorien aus. Dai Autor*in meint, die Buchstaben hinter dem L scheinen viel zu oft nur aufgrund des BedĂŒrfnisses nach ‚political correctness’ hinzugefĂŒgt.

Viele Schwule denken immer noch, dass Charlotte von Mahlsdorf eine von ihnen war.

Peter Steinmann weist darauf hin, dass Charlotte von Mahlsdorf sich selbst zweifelsfrei als Frau gesehen hat. Sie liebte MĂ€nner und war also hetero. Ja, sie trug erst ab 1945 Kleider und war in der DDR-Szene verortet, wie viele Trans, die damals der lesbischwulen Szene irgendwie verbunden waren.

Die Linien sind klar

Bereits 1973, kurz nach den Stonewall Riots, wurden Transpersonen aus der neu gegrĂŒndeten Gay Liberation Front und der Gay Activist Alliance ausgeschlossen. Hintergrund war wohl bereits damals der Versuch, mit der Betonung der harmlosen BinaritĂ€t von LGB leichter politische Forderungen durchzusetzen. Effeminierte und Tunten sollten als Spielart des Schwulen gesehen werden, welche den Status der zwei Geschlechter nicht gefĂ€hrdeten. Daher vielleicht auch die Vereinnahmung von Charlotte von Mahlsdorf als schwuler Transvestit.

Abgesehen von der mĂ€nnlichen Sozialisation, die Transfrauen angeblich durchgemacht haben, spielt das mögliche Vorhandensein eines Phallus lange Zeit eine Rolle. „Die Obszönen Frauen“ von Christa Beinstein brachten ihn im Wien der spĂ€ten 80er Jahre erstmals ins Spiel. Die Skepsis gegenĂŒber allem, was auch nur irgendwie mĂ€nnlich sein könnte, sitzt in einigen radikalfeministischen Kreisen immer noch tief. Auch wenn es von Lesben dementiert wurde. Als in den spĂ€ten 10er Jahren des 21. Jh. einige bekannte Butches anfingen Testo zu nehmen, wurde der Graben und das Misstrauen gegenĂŒber Trans teils noch tiefer. „Wo bleibt die Butch“ war am 28 Juni 2017 in der EMMA zu lesen. Veranstalterinnen reagierten mit einem damals schon aus der Mode gekommenen ‚reaktionĂ€ren’ Modell der exklusiven „FrauenrĂ€ume“.

Bei Trans sitzt der Stachel so tief, weil immer wieder Versuche bestehen, wirklich hart ErkĂ€mpftes durch so etwas Ă€hnliches wie „Konversionstherapien“ zu verlieren. Durch die Entkoppelung der PersonenstandsĂ€nderung von einer geschlechtsangleichenden Operation (GAOP) ist der Druck auf Trans zwar deutlich geringer geworden, was aber mitnichten bedeutet, dass geschlechtsangleichende Maßnahmen entfallen können. Es ist ein Spiel auf Zeit und fĂŒr die allermeisten Trans ist eine GAOP letzten Endes unumgĂ€nglich, um ein freies und erfĂŒlltes Leben fĂŒhren zu können.

Straight Sex

Irgendwann entscheidet sich jedai Trans fĂŒr hens Weg. Also: Ja. Es ist unsere Entscheidung. Über die Freiwilligkeit und den Zeitpunkt lĂ€sst sich angesichts der VerhĂ€ltnisse aber streiten. Aber NEIN, wir Trans haben es uns nicht ausgesucht, Trans zu sein. Trotzdem stoßen wir damit immer wieder an alte, ĂŒberkommene Normen.

Wir mĂŒssen wohl immer wieder an SexualitĂ€t und Wahrheit von Foucault erinnert werden, wo 1977 steht, die ‚gelebte’ SexualitĂ€t sowie das, was man als ‚sexuelle IdentitĂ€t’ bezeichnet, werde nicht von der Natur des Körpers determiniert. Denn allgemein herrscht immer noch die Meinung vor, dass das zwischen den Beinen entscheidend ist. Ganz einfach, weil es so bequemer ist. Wenn ich Jugendlichen zuhöre, so scheinen sich die Praktiken in den verschiedenen Szenen geradezu zu ritualisieren und zu verfestigen. Es gibt wohl ganz klare Vorstellungen und Normen zu schwulem, lesbischem und hetero Sex, wobei die Grenzen nahezu undurchdringlich geworden sind. Dabei spielt die Kongruenz der binĂ€ren sexuellen IdentitĂ€t mit dem Köper eine wichtige Rolle. Insofern sind schwuler und lesbischer Mainstream-Sex irgendwie straight geworden.

Eine Auseinandersetzung mit sexuellen IdentitĂ€ten und deren Erfahrungen zwischen den binĂ€ren Geschlechtern findet in der Endo-Cis Welt und auch bei Lesben und Schwulen in den allermeisten FĂ€llen einfach nicht statt. Diese fehlende Auseinandersetzung fĂŒhrt leider immer wieder zu Verletzungen und Diskriminierungen. Es mag wohl sein, dass sich Einzelne durchaus informieren. Ein persönlicher Kontakt ist jedoch nur selten „barrierefrei“ möglich.

Schade

„Herculine/Alexina wird so zur Heroine einer SexualitĂ€t jenseits der SexualitĂ€t, jenseits der Festlegungen und IdentitĂ€ten des Sex: Diese ‚intensive MonosexualitĂ€t’ erst ‚treibt die zarten LĂŒste hervor, die die sexuelle Nicht-IdentitĂ€t bloßlegt und hervorruft, wenn sie sich zwischen all diesen Ă€hnlichen Körpern verirrt’“ (Sarasin 2010)

Vielleicht kriegt Horst sich ja wieder ein.

(Anm.: FĂŒr die geschlechtsneutrale Schreibweise wurde das NoNa-System verwendet.)

Von Mia Mara Willuhn

Soziologin in Wien und seit Beginn der 1990er Jahre Transaktivistin. Sie hat 1992 die Selbsthilfegruppe fĂŒr Trans in der Rosa-Lila-Villa mitbegrĂŒndet, wie auch den Verein TransvestitIn 1994.