Robert ist einer der Aktivist*innen, die 1983 die HOSI-Jugendgruppe gegründet haben. Wir sprachen mit ihm über Veränderungen inner- und außerhalb der Community und seinen Blick auf die queere Jugend von heute.
CA: Wann hast du denn deine ersten Schritte in der Community gemacht?
Es ist ein bisschen schwierig, man hat schon mal gehört, dass es da ein Lokal gibt, wo vielleicht Schwule sich treffen und so weiter. Aber ich würde sagen, den ersten wirklichen Schritt habe ich ’81 gemacht, das war der Schritt in die HOSI.
CA: Du hast ja zwei Jahre später, 1983, die HOSI Jugendgruppe mitgegründet. Wie kam es dazu?
Wenn ich mich richtig erinnere, ist es so gewesen, dass die Idee schon ein bissl latent vorhanden war. Wirklich für die Idee eingesetzt haben wir uns eigentlich über die Initiative von der Helga Pankratz. Wir waren zu viert, Helga mit ihrer damaligen Freundin Doris, und die Doris hatte einen Bruder, den Hans, und das war mein Freund.
Dass wir das wirklich machen, haben wir bei der Helga in der Küche beschlossen. Ich habe mich da noch nicht so richtig drum gekümmert. Ich fand die Idee gut, aber die Frauen haben das schon gut gecheckt. Die waren auch älter, muss man dazu sagen. Ich war 19 und mein Freund war 17 und wir waren noch sehr verliebt. Gleich beim ersten Treffen waren relativ viele Leute dabei, die würde ich fast alle mitzählen als Gründungsmitglieder, auch wenn sie nicht dabei waren in Helgas Küche. Aber es gab so eine Aufbruchstimmung und ich war ganz erstaunt, dass da schon 6-7 Leute beim ersten Treffen dabei waren. Wir waren natürlich auch politisch aktiv, haben Flugblätter fabriziert und verteilt, Interviews z.B. in der Kronen Zeitung gegeben und uns aktiv in der HOSI und den Lambda Nachrichten eingebracht, haben die „Warme Woche“ mitgestaltet und Transparente für Demos gebastelt.
CA: Wie haben die Gruppenabende damals ausgeschaut?
Die HOSI war da noch in der Novaragasse, da gab es einen großen Tisch und da saßen alle rum und waren ganz aufgeregt. Wir waren uns einig, dass wir das Bedürfnis hatten, uns unabhängig von der damaligen Szene einen Ort zu schaffen, in dem sich nur junge Leute treffen, das hat viele angezogen. Es war auf gemeinsamen Spaß ausgelegt, aber wir haben uns auch gegenseitig zugehört und Probleme besprochen. Wir waren dann schnell für unsere Feste bekannt, die waren immer bummvoll. Wir haben Ausflüge organisiert, viel getanzt, Spiele gespielt, gemeinsam gekocht und jedes Mal geschaut, dass wir den Jugendlichen, also uns selber, was bieten.
CA: Hattet ihr da eine bestimmte Zielgruppe oder eine Altersbeschränkung?
Das Wichtigste, was auch das Besondere war, war, dass Schwule und Lesben gemeinsam was wollten. Das war schon besonders an der HOSI, dass sich überhaupt kurz vorher die Lesbengruppe gegründet hat. Die Jugendlichen wollten unbedingt was Gemeinsames.
Wir hatten aber durchaus schon Personen, die trans waren, die sich im Laufe der Zeit entwickelt haben; zum Beispiel eine Transfrau, die damals erst mal ihr Coming-out als schwul hatte und dann sich weiterentwickelt hat. Das Thema war schon Teil der Jugendgruppe, aber die Zielgruppe waren vor allem junge Schwule und Lesben.
CA: Du warst beim 40-Jahre Jugendgruppe Jubiläum dabei. Was sind Unterschiede, die du beobachtet hast zwischen der Jugend heute und damals?
Der größte Unterschied ist sicherlich die Masse. Das hat mich einfach umgehaut, das fand ich total toll. Ich hatte auch davor einmal die Möglichkeit, kurz in die Jugendgruppe zu schnuppern, das war unglaublich. Also das fand ich so toll, dass es sich so entwickelt hat. Der Altersdurchschnitt bei der Jugendgruppe war zwischen 20 und 25, manchmal auch jünger. So einen Anlaufpunkt für ganz so viele Junge zu haben, also das hätte ich mir gewünscht.
Ein weiterer Unterschied ist die Sichtbarkeit. Wir haben zwar immer wieder versucht, rauszugehen und sichtbar zu werden. Aber wir haben unbedingt diesen Schutz auch gebraucht, nicht-sichtbar zu sein, wenn wir das wollten. Dass heute zum Beispiel ein Jubiläum in einem nicht einmal schwulen Lokal mit so vielen Leuten möglich ist, die bis auf die Straße tanzen und feiern, das ist sicherlich ein großer Unterschied.
Ein ganz großer Unterschied ist die Genderfrage. Die in klein schon vorhanden war, aber nicht so verhandelt wurde wie heute. Das ist für mich auch ein Thema, ich hätte es damals auch toll gefunden. Also dass es heute den Begriff „Queer“ gibt, das war für mich eine extreme Befreiung. Weil ich das Gefühl hatte, endlich gibt es mehr als nur Schubladen. Der Begriff Queer passt für alle, die Farbschattierungen haben, die nicht nur unbedingt schwarz, weiß, blau oder gelb sind, sondern sich einfach regenbogenmäßig definieren.
In der Szene hast du, grob gesagt, entweder zu den Lederschwestern gehört und bist halt in Stiefeln in irgendwelche Lederlokale, oder du hast zu den Tunten gehört. Und die Unterschiede waren schon extrem. Das vermischt sich heute eigentlich relativ gut und mich hat auch verwundert, wie viel Geschlechterspiel, also das Ausprobieren von Geschlechterrollen möglich ist. Und dass es eine Gruppe gibt, die das akzeptiert und das schätzt. Das ist toll und neu.
CA: Die gesamte gesellschaftliche Situation von LGBTIQ Personen hat sich ja stark verbessert. Wie haben sich diese Verbesserungen auf dich ausgewirkt?
Dadurch, dass ich früh für die damalige Zeiten, mit grad mal 18, mein Coming-out hatte und damals beschlossen habe, klar Schiff zu machen und es fast jedem erzählt habe, hatte ich diese Problematik nicht mehr so.
Aber viele Menschen haben ewig lang mit ihrem Coming-out gewartet damals und es war üblich, dass die Coming-out-Phase so mit Mitte 20 stattgefunden hat. In der Schule wurde das maximal negativ konnotiert besprochen. Heute ist es möglich, Unterstützung zu finden: im Umfeld, vielleicht unterstützende Lehrer*innen. Früher war es nicht möglich, sich in Jugendzentren zu outen, heute würde man sich genieren, wenn man nicht bei Coming-out Problemen helfen oder zumindest hierher leiten kann. Als ich damals zuständig war, habe ich mit vielen Leuten Briefkontakt gehabt, es gab noch kein Handy, das Kommunikationsmittel waren Briefe.
PF: Facebook oder Insta von früher quasi.
Brieffreundschaften wurden gepflegt und es gab dieses rosa Telefon in der HOSI. Da haben vor allem Jugendliche angerufen. Wir haben versucht den Kontakt zu halten, telefonieren war schwierig, die mussten ja von zu Hause oder einer Telefonzelle anrufen. Der Rest ist brieflich gelaufen. Ich weiß aus dieser Zeit, wie das Thema Selbstmord, vor allem in den Bundesländern, bei Jugendlichen, die ihr Coming-out nicht haben konnten, ein Thema war.
PF: Ist es dir leicht gefallen, zurückzukommen?
Ich hab schon mitgekriegt, dass es die Jugendgruppe noch gibt und ich war sehr stolz darauf. Zum Beispiel als der Sohn einer Bekannten mit 17 sein Coming-out hatte und ich hörte, dass der sich total wohlfühlt in der Jugendgruppe. Die HOSI ist da aktuell schon ein besonderer Ort. Ich bin hier letztens zufällig mit einem fremden jungen Mann ins Gespräch gekommen, oder die Barkraft bezieht einen ins Gespräch mit ein. Oder das super diverse Regenbogenbogenfest der HOSI ist sehr offen. In anderen Lokalen der Szene ist das, glaube ich, nicht so, da bleibt man eher allein.
CA: Blickst du mit Zuversicht in die Zukunft?
Es scheint schwer, heutzutage mit Zuversicht in die Zukunft zu schauen. Weil ich denk, wow, scheiß mich an, ja, was da so alles auf uns zukommen wird.
Aber, ich bin ein optimistischer Mensch und denke, solange es engagierte, gescheite Menschen gibt, wird sich was in die richtige Richtung entwickeln. Manches ist halt einfach zaach. Wenn ich mir heute überleg, ich hätte mir vor 40 Jahren Sachen gewünscht, die sich heute einfach etabliert haben.
Zum Beispiel hab ich in meinen jungen Jahren viel geschrieben. Und ich habe damals so eine utopische Kurzgeschichte geschrieben von einem schwulen Pärchen, das ein Kind großgezogen hat. Regenbogenfamilien waren so utopisch, die waren nicht einmal Thema, oder maximal ein Randthema für wenige Leute. Heute ist es etwas, was nicht mehr Utopie, sondern gelebte Normalität ist.
Ich schau sehr optimistisch in die Zukunft, weil ich weiß, auch wenn man sich gewisse Sachen nicht vorstellen kann, Utopien sind gut und lassen sich durchaus verwirklichen.
Interview von Christoph Aigner und Peter Funk