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Editorial

Wann beginnt eigentlich ein Vereinsjahr?

Beim Schreiben dieses Vorworts fällt auf, dass es mindestens zwei Startpunkte gibt: Der Beginn des Kalenderjahres, welches für die Berichtslegung und Budgeterstellung maßgeblich ist, und das „Pride-Jahr“, welches im Herbst mit den Vorbereitungen der nächsten Pride beginnt und im Juni des darauffolgenden Jahres seinen Höhepunkt erreicht. Von Juli bis August macht das Vereinsjahr Pause, weil alle Aktivist*innen erschöpft sind.

In letzter Zeit fallen unsere Generalversammlungen immer wieder mit dem Start des „Pride-Jahres“ zusammen, so auch in diesem Jahr: Die diesjährige Generalversammlung der HOSI Wien ging am 30. September erfolgreich über die Bühne und brachte einen in neuer Konstellation gewählten geschäftsführenden Vorstand ins Amt: Ann-Sophie Otte (Obfrau), Markus Steup (Kassier) und Barbara Fröhlich (Schriftführerin) treten mit sehr großer Unterstützung im Rücken ihre nächste Amtszeit an. Neu begrüßen dürfen wir Patricia Stromitzki (Schriftführerin) und Barbara Prähauser (Kassierin), die Lui Fidelsberger und Peter Funk ablösten. Zwei Tage später wurde unser insgesamt 17-köpfiger Vorstand kooptiert, der sich auch gleich im November ein ganzes Wochenende auf gemeinsame Planungsklausur begab, sodass wir nun mit voller Kraft in das nächste „Pride-Jahr“ starten.

Neben den Vereinsformalitäten wie Wahlen und Berichten stand auch ein besonderer Antrag auf der Tagesordnung der Generalversammlung: Ein unter meiner Federführung vom Vorstand erarbeitetes Präventionskonzept gegen Gewalt und Diskriminierung. Ich bin stolz darauf, dass die Generalversammlung das Konzept nach Vorstellung und Fragerunde einstimmig verabschiedet hat – denn leider ist das keine Selbstverständlichkeit.

Abgesehen von dem aus historischen Gründen verständlichen Argwohn vieler (schwuler Männer) gegen alles, was den Anschein eines Generalverdachts in Richtung Pädophilie trägt, wird oft davon ausgegangen, dass Präventionskonzepte aufgrund von Verdachtsfällen erstellt werden. Im Sinne des Wortstammes „prä“ (vor) soll Prävention aber bewirken, dass es im besten Fall erst gar nicht zu Vorfällen von Gewalt und Diskriminierung kommt und dass die Hürden für potenzielle Täter*innen erhöht werden.

Sowohl Gewalt als auch Diskriminierung kommen überall in unserer Gesellschaft vor und betreffen die unterschiedlichsten Menschen. Nicht nur, dass wir davon ausgehen müssen, dass unsere Aktivist*innen, Mitglieder und Gäst*innen Diskriminierung aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität erleben, es ist auch sehr wahrscheinlich, dass sie andere intersektionale Formen von Diskriminierung und Gewalt erfahren. Allein aufgrund der anzunehmenden (großen!) Präsenz von Gewalt und Diskriminierung ist es für uns als Verein erforderlich, uns mit diesen Themen, aber vor allem mit unserer Umgangsweise mit Übertretungen und Übergriffen zu beschäftigen. Denn nur so können wir klar kommunizieren, welches Verhalten wir von den Menschen in unseren Räumlichkeiten erwarten und was die Konsequenzen bei Übertretungen sind. Mit dem Auftrag der Generalversammlung, das Konzept umzusetzen, nehmen wir nicht nur eine Vorreiterinnen-Rolle in der Community ein, sondern sind in der Lage, unseren Verein als safer space zu verbessern.

Von Lisa Hermanns

LesBiFem*referentin HOSI Wien
(Foto: © Marie Dvorzak)