Queer sein ist anstrengend. Arbeiten ist anstrengend. Ist queere Arbeit also ein anstrengendes Thema? Sicher nicht. Queer sein und arbeiten, können eine große Quelle der Freude, des Selbstbewusstseins, des Stolzes sein und Identität stiften. Man kann Freund*innen fürs Leben finden negative sowie positive Erfahrungen teilen, und Teil einer Gemeinschaft sein. „Was machst du eigentlich beruflich?“ ist neben „Wie heißt du?“ oder „Wo kommst du her?“ wohl eine der häufigsten Smalltalk-Fragen.
Im Schnitt verbringen wir fünfeinhalb Stunden am Tag mit bezahlter Lohnarbeit. Hinzu kommen noch andere Arbeitsformen, über die in progressiven Kreisen zunehmend geredet wird. Frei nach Hape Kerkeling „Liebe ist Arbeit, Arbeit, Arbeit“, leisten viele von uns Care-Arbeit wie Kindererziehung, Pflege von Angehörigen, emotionale Unterstützung, oder die schlichte Führung des Haushalts. Die Lambda in Ihrer Hand entsteht durch eine besondere Art der Arbeit: Das Ehrenamt, auf das sich neben Sportvereinen und dem Rettungswesen auch die LGBTIQ Community verlässt. Dutzende Ehrenamtliche haben an dieser Ausgabe mitgewirkt: Fotografie, Layout, Lektorat, Auslieferung und Redaktion. Alles um uns herum ist durch Arbeit entstanden, genau genommen auch wir selbst, im Grunde sind wir alle das Produkt der Care-Arbeit unserer Eltern, Freund*innen und Verwandten plus der bezahlten Arbeit von Pädagog*innen.
Unser Beruf, also die Arbeit, die wir werktäglich verrichten, stiftet für viele Menschen einen wichtigen Teil der Identität, eines der Lieblingsthemen der Lambda. Früher, als man lebenslang den gleichen Beruf ausübte, noch viel mehr: Mein Urgroßvater hätte sich noch, lange vor allen anderen Aspekten seiner Identität wie Vater, Ehemann und Katholik, zunächst vor allem als Bauer vorgestellt. Die Arbeiter*innenbewegung ist eine der wichtigsten politischen Bewegungen der letzten zwei Jahrhunderte, das gemeinsame Merkmal: die Arbeit.
Aber natürlich hat ein derart bedeutendes Thema auch Schattenseiten. Arbeit kann krank und unglücklich machen. Die starke Bindung der eigenen Persönlichkeit zur Arbeit sorgt zum Beispiel bei Arbeitsverlust für starke Belastungen, und natürlich ist sie Grundlage für Klassismus. Ein Herr Doktor oder die Frau Anwältin werden oft zu Unrecht besser behandelt als der Friseur oder die Handwerkerin. Etwa zwei Drittel der Arbeitnehmer*innen fühlen sich überlastet, während ein Drittel in ihrer Arbeit keinen Sinn sehen. Entsprechend steigen die Zahlen bei Depressionen und anderen Erkrankungen im Zusammenhang mit Arbeit.
Das Thema Arbeit ist also viel komplexer als die augenscheinliche Assoziation mit Lohnarbeit zunächst ahnen lässt. Eine simplere Antwort bietet die Naturwissenschaft: Für Physiker*innen ist Arbeit schlicht Kraft mal Weg. Da muss ich mangels Fachkenntnis zustimmen. Arbeit, egal ob Lohnarbeit, Care-Arbeit oder Ehrenamt, ist geprägt durch die Kraft, die wir aufbringen auf dem Weg zu etwas Besserem. So verrichten wir in der HOSI Wien mit Freude viel Arbeit für eine inklusivere Welt für LGBTIQ-Personen in Wien und Österreich. Ich wünsche viel Vergnügen bei dieser Ausgabe der Lambda (einem Produkt unserer Arbeit).