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Was ist ein guter Arbeitsplatz für queere Menschen?

Wenn über LGBTIQ+ Menschen und deren Queerness gesprochen wird, dann meist im Kontext derer Privatleben. Sei es die eingetragene Partnerschaft, gleichgeschlechtliche Adoption, die Ehe für Alle, der dritte Geschlechtseintrag, … – all diese Dinge werden oft als Privatsache angesehen. Weit verbreitete, reduzierende und homofeindliche Aussagen wie „Mir egal mit wem du schläfst, aber ich will das in der Öffentlichkeit nicht sehen“ unterstreichen das zusätzlich. Dabei betrifft Queerness so viel mehr als nur die Wahl der Sexualpartner oder wie wir unsere Geschlechtsidentität nach außen präsentieren. Ein Aspekt, über den zum Beispiel nur selten gesprochen wird, ist Queerness am Arbeitsplatz. 

Dabei stellt sich vor allem die Frage: Was braucht es, um einen inklusiv(er)en Arbeitsplatz für queere Menschen zu schaffen? 

Grundsätzlich sind in Österreich Diskriminierungen auf Grund der sexuellen Orientierung und des Geschlechts am Arbeitsplatz nach dem Gleichbehandlungsgesetz verboten. So weit, so gut! Leider gilt dieser Diskriminierungsschutz aber nur am Arbeitsplatz und nicht auch in anderen Lebensbereichen. Die Gleichbehandlungsanwaltschaft fordert daher eine Ausweitung des Diskriminierungsschutzes auf alle Bereiche des Gleichbehandlungsgesetzes. Bis das beschlossen und umgesetzt ist (bzw. falls es überhaupt beschlossen werden sollte) kann es allerdings noch dauern. Daher ist es umso wichtiger, dass Arbeitgeber*innen eine klare Anti-Diskriminierungspolitik haben, die explizit queere Menschen miteinschließt. Alle Mitarbeiter*innen sollten die gleichen Chancen und Rechte haben, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität.  

Das ist zwar leicht gesagt aber womöglich nicht ganz so leicht getan: Viele Firmen schreiben sich stolz „Diversität“ als „zentralen Grundwert“ auf die Stirn (bzw. auf die Website) und färben ihr Logo im Juni in Regenbogenfarben ein, aber deren queere Mitarbeiter*innen spüren vom versprochenen LGBTIQ+ Allyship oft nur wenig. Was können Firmen also konkret tun, um queeren Menschen ein besseres Arbeitsumfeld zu bieten? 

Ein grundlegender Punkt ist Geschlechtergerechte- bzw. Geschlechtsneutrale Sprache.  

Idealerweise sollte sowohl schriftliche als auch mündliche Kommunikation geschlechtsneutral sein, also zum Beispiel ein „Guten Tag“ statt einem „Sehr geehrter Herr“ / „Sehr geehrte Frau“ am Beginn eines E-Mails. Das ist vor allem in Hinblick auf Trans-Inklusivität wichtig. Was in niederösterreichischen Behörden seit diesem Sommer verboten ist (gendern mit Sternchen, Binnen-I, Unterstrich oder Doppelpunkt), würde vielen nicht-binären Menschen das Gefühl geben, auch inkludiert zu sein, zumal der Verfassungsgerichtshof vor mittlerweile 5 Jahren entschieden hat, dass es einen dritten Geschlechtseintrag in Österreich geben muss. Für einige Wörter gibt es zwar geschlechtsneutrale Alternativen: „Lehrende“ statt „Lehrer*innen“ oder „Studierende“ statt „Student*innen“, aber eben nicht für alle. „Schüler*innen“ hat kein solches Pendant. Das Genderverbot in Niederösterreich sieht stattdessen die binäre Variante „Schülerinnen und Schüler“ vor, und grenzt damit explizit nicht-binäre Personen aus. 

Aber nicht nur Sprache ist für Trans-Inklusivität wichtig, es braucht auch materielle Ressourcen und klare Abläufe mit deren Hilfe auf die Bedürfnisse von transidenten Mitarbeiter*innen eingegangen werden kann. Ein Beispiel sind geschlechtsneutrale Toiletten. Meist müssen dafür nur alte Schilder abmontiert oder überklebt werden – eine einfache und kostengünstige Maßnahme für Unternehmen, um einen Schritt in Richtung eines inklusiv(er)en Arbeitsplatzes für queere Menschen zu setzen. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Möglichkeit, den Namen und den Geschlechtseintrag im Unternehmenssystem zu ändern. Seien es die E-Mail-Adresse und -Signatur, der Username oder auch nur das Namensschild und wie man an der Kaffeemaschine angesprochen wird – all diese Dinge haben grundlegend mit Respekt zu tun, und der Anerkennung von trans Identitäten als valide. Viel hängt aber auch mit den technischen Möglichkeiten und der jeweiligen Software zusammen. Deshalb ist es wichtig, sich regelmäßig Feedback von queeren Mitarbeiter*innen zu holen und dementsprechend Anpassungen zu machen. Außerdem sollten Fortbildungen und Schulungen zu LGBTIQ+-Sensibilisierung auf allen Ebenen stattfinden – inklusive der IT. Das hätte mich zum Beispiel vor einer Situation bewahrt, in der mir von der IT gesagt wurde, ich solle meinen alten Namen doch als „zufällig zusammengewürfelte Buchstaben“ sehen, da sie ihn technisch nicht ändern konnten. Solche Aussagen zeugen von wenig Sensibilität und Verständnis innerhalb eines Unternehmens bzw. einer Abteilung.  

Das führt auch wieder zur anfangs genannten Anti-Diskriminierungspolitik zurück: diese muss auch eine sichtbare Unterstützung durch die Führungsebene miteinschließen. Arbeitgeber*innen sollten sich öffentlich und aktiv für die Anliegen ihrer queeren Mitarbeiter*innen einsetzen, sei es durch die Teilnahme an LGBTIQ+ Veranstaltungen, Diversitäts-Schulungen oder die Umsetzung von LGBTIQ+-inklusiven Richtlinien. Außerdem sollte es zum Schutz vor Diskriminierung, Belästigung und Mobbing klare Verfahren zur Meldung von Vorfällen geben, sowie Maßnahmen, diese Vorfälle zu untersuchen und angemessen darauf zu reagieren. 

Abseits der Angebote von Arbeitgeber*innen sollte es außerdem Möglichkeiten und Räume geben, in denen sich queere Mitarbeiter*innen sicher und unterstützt fühlen und sich untereinander austauschen und vernetzen können. Solche Peer-Gruppen und Vernetzungstreffen können einen Raum für das Teilen von Erfahrungen, Tipps und Problemlösungen bieten und das Gemeinschaftsgefühl unter Kolleg*innen stärken. Außerdem erhöhen sie die Sichtbarkeit von queeren Menschen und die Sensibilisierung für queere Themen innerhalb und außerhalb des jeweiligen Unternehmens und bewirken im besten Fall sogar Veränderungen am Arbeitsplatz zugunsten von queeren Themen.  

Die in diesem Text genannten Punkte sollten mittlerweile selbstverständlich sein, aus Erfahrung weiß ich aber, dass sie das leider nicht immer sind. Wahrscheinlich könnte man mehrere Bücher mit Ideen für den idealen Arbeitsplatz für queere Personen füllen und selbst dann wäre die Liste noch immer nicht vollständig. Ich sehe diese Punkte daher eher als Denkanstoß und als einen guten ersten Schritt in Richtung eines inklusiv(er)en Arbeitsplatzes für queere Menschen. Viel hängt auch von der Art des Jobs und den individuellen Vorstellungen und Bedürfnissen jeder einzelnen queeren Person, die dort arbeitet, ab. Selbst der beste und inklusivste Arbeitsplatz wird es vermutlich nicht schaffen, alle Arbeitnehmer*innen – queer oder nicht – immer adäquat zu unterstützen, da sich die Bedürfnisse für Inklusion mit der Zeit ändern. Ähnlich wie Safe(r) Spaces, die nie 100% Sicherheit garantieren können, können Arbeitsplätze auch nie 100% inklusiv sein und deshalb auch nur inklusiv(er) werden. Umso wichtiger ist es, dass wir als queer people in the workforce unsere Forderungen an unsere jeweils aktuellen Bedürfnisse anpassen und Arbeitgeber*innen dementsprechend ihre Maßnahmen. 

Von Simon Pfeifer

Journalist
(Foto Credits: Nika Pfeifer)