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Das Recht auf Gleichbehandlung gerichtlich durchsetzen?

Die Gleichbehandlungs- und Antidiskriminierungsgesetze sehen ein umfassendes Diskriminierungsverbot in der Arbeitswelt vor. Benachteiligungen und Belästigungen aufgrund des Geschlechts, der sexuellen Orientierung, der ethnischen Zugehörigkeit, einer Behinderung, des Alters oder der Religion und Weltanschauung sind im Job und der Berufsausbildung verboten. Implizit ergibt sich daraus ein gesamtgesellschaftlicher Auftrag, für Gleichstellung zu sorgen. In erster Linie sehen die Gesetze jedoch individuelle Rechtsansprüche für Betroffene vor, wenn gegen das Diskriminierungsverbot verstoßen wird. Mit welchen Herausforderungen geht diese individuelle Rechtsdurchsetzung für Diskriminierungsbetroffene einher? Und welcher Beitrag kann damit zu mehr Gleichstellung in der Arbeitswelt geleistet werden?

Vorauszuschicken ist, dass sich Benachteiligungen und Marginalisierungen ja nicht auf die gesetzlich geschützten Lebensbereiche, wie zum Beispiel den Arbeitsplatz, beschränken, sondern sich oft auch auf jene Ressourcen auswirken, die es braucht, um eigene Rechte (gerichtlich) durchsetzen zu können. Das beginnt beim Wissen über das Antidiskriminierungsrecht, geht über finanzielle oder andere soziale Zugangshürden zum Recht, und endet bei teilweise mangelhaftem Wissen und Sensibilisierung von Richter*innen. Organisationen wie die HOSIs, der Klagsverband oder auch staatliche Gleichbehandlungsstellen versuchen, diesen strukturellen und individuellen Hürden beim Rechtszugang entgegenzuwirken.

Strategische Prozessführung in Einzelfällen

Der Klagsverband trägt neben seiner Informations- und Vernetzungsarbeit insbesondere durch strategische Prozessführung in ausgewählten Fällen zur Durchsetzung und Weiterentwicklung des Antidiskriminierungsrechts bei. In diesem Sinn konnte der Klagsverband auch die damals erste rechtskräftige Gerichtsentscheidung zum Diskriminierungsverbot aufgrund der sexuellen Orientierung erzielen und damit wesentliche Judikatur für den Schutz vor queer-feindlichen Belästigungen von Arbeitnehmer*innen schaffen: Ein schwuler LKW-Fahrer wurde von Kollegen eines anderen Unternehmens immer wieder mit homofeindlichen und sexistischen Bemerkungen und Beschimpfung gequält. Im Verfahren wurde klargestellt, dass dies nicht wie behauptet als „üblicher rauer Umgangston“ unter Arbeiter*innen durchgehen kann. Zudem wurde – über den Anlassfall hinaus wichtig – bestätigt, dass der Schutz vor Belästigungen am Arbeitsplatz auch dann gilt, wenn diese von Arbeiter*innen eines anderen Unternehmens ausgehen (LG Salzburg, 14.07.2006, 18Cga120/05t). Das gilt seitdem als rechtlicher Standard.

Herausforderungen in der Rechtsdurchsetzung

So wichtig dieses Verfahren in seiner Signalwirkung war, so sehr veranschaulicht es auch einige Schwierigkeiten, die Rechtsansprüche nach dem Gleichbehandlungsgesetz mit sich bringen. In der Regel ist das ein Anspruch auf finanziellen und immateriellen Schadenersatz für die erlebte Diskriminierung, dieser muss am Zivilrechtsweg geltend gemacht werden. Wird die Klage rechtskräftig verloren, hat die diskriminierungsbetroffene Person (oder die sie unterstützende Organisation) die eigenen und gegnerischen Kosten sowie die Gerichtsgebühren zu tragen. Doch auch bei inhaltlichem Obsiegen können Kosten entstehen, nämlich wenn der eingeklagte Schadenersatzbetrag vom Gericht über die Hälfte gekürzt wird. Im Ausgangsfall erhielt der Kläger nach fast zweijähriger Verfahrensdauer für die erlebten Belästigungen je € 400 pro Belästiger, also insgesamt € 800. Dies entsprach dem damals geltenden gesetzlichen Mindestschadenersatz bei Belästigungen (mittlerweile liegt dieser immerhin bei € 1.000) und auch dem vom Kläger – angesichts einer Kostenrisikominimierung – vorsichtig eingeklagten Betrag. Der Klagsverband fordert schon lange eine gesetzliche Verankerung angemessener Mindestschadenersatzbeträge für sämtliche Diskriminierungsformen, damit zugesprochene Schadenersatzbeträge tatsächlich den gesetzlichen Vorgaben gerecht werden, eine angemessene Wiedergutmachung für die erlebte Diskriminierung und eine Abschreckung für künftige Diskriminierungen zu sein. Auch eine Senkung der Gerichtsgebühren wäre ein wichtiger Beitrag für einen besseren Rechtszugang.

Es braucht neue Ansprüche im Antidiskriminierungsrecht

Doch auch höhere Schadenersatzbeträge entsprechen nicht immer den Bedürfnissen von Diskriminierungsbetroffenen. Nur in wenigen Fällen ist derzeit ein Anspruch auf Gleichbehandlung bzw. Beseitigung der Diskriminierung vorgesehen, z.B. kann eine diskriminierende Kündigung angefochten oder auf Einbeziehung in eine Berufsbildungsmaßnahme geklagt werden. Hingegen gibt es z.B. bei Belästigungen derzeit keinen ausdrücklichen Unterlassungsanspruch. Auch hier weist der Klagsverband seit langem darauf hin, dass diese Schutzdefizite behoben gehören. Zudem gibt es, auch in der Arbeits- und Ausbildungswelt, immer wieder Benachteiligungen, die etliche Menschen betreffen und ein strukturelles Diskriminierungsproblem aufzeigen. Neben individuellen Ansprüchen bräuchte es eine Verbandsklagemöglichkeit. So könnte – wie derzeit schon im Behindertengleichstellungsrecht – auch losgelöst vom Einzelfall wirksam gegen Diskriminierungen von LGBTIQ*-Menschen vorgegangen werden.

Fazit

Auch wenn Verbesserungen im Diskriminierungsschutz dringend geboten sind, hat das Antidiskriminierungsrecht mit Sicherheit bereits einiges bewegt. Diskriminierungsbetroffene, die sich erfolgreich vor Gericht gewehrt haben, haben dazu einen wichtigen, oft über den Einzelfall hinausreichenden, Beitrag geleistet. Ein gesetzlich anerkanntes Recht auf Nicht-Diskriminierung ist zudem zweifellos eine empowernde Stütze für vielfältige andere individuelle und kollektive Strategien zum Diskriminierungsabbau. Setzen wir uns in solidarischen Netzwerken nun für einen weiteren Ausbau des Diskriminierungsschutzes und einen möglichst gleichberechtigten Rechtszugang für viele ein!

Theresa Hammer
Fachliche Geschäftsführung
Leitung Beratung und Rechtsdurchsetzung
Klagsverband
www.klagsverband.at

Von Gastautor*in

Unter diesem Tag versammeln sich verschiedene Gastautor*innen der LAMBDA.