Der Beratung, sei sie etwa rechtlich, medizinisch oder psychosozial, kommt in der queeren Community durch den erhöhten Bedarf im Vergleich zur non-queeren Bevölkerung eine wichtige Rolle zu. Viele queere Personen sind aus unterschiedlichsten Gründen auf professionelle Hilfe angewiesen, werden jedoch leider nicht immer kompetent und diskriminierungsfrei beraten. Dies trifft nicht nur auf allgemeine „nicht queere“ Anlaufstellen zu, sondern leider auch auf Beratungsstellen und Praxen, die explizit LGBTIQ* als Zielgruppe haben.
Menschen, die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit queere Personen beraten, sollten daher eine möglichst hohe Regenbogenkompetenz haben – damit wird die Fähigkeit gemeint, LGBTIQ* Personen professionell und diskriminierungsfrei zu beraten. Der Begriff geht auf Ulrike Schmauch zurück: Die Sozial- und Sexualwissenschaftlerin leistete damit einen wertvollen Beitrag zu einer professionellen und methodenbasierten Beratung für queere Menschen. Eine regenbogenkompetente Fachkraft sollte nach Schmauch (2014) über Sachkompetenz (ausreichendes Wissen über Ressourcen, Lebenslagen und Diskriminierungserfahrungen), Methodenkompetenz (adäquate Handlungsfähigkeit), Sozialkompetenz (Kommunikationsfähigkeit) und Selbstkompetenz (Reflexion eigener Vorurteile und Werte) in Bezug auf queere Lebensweisen verfügen.
Wichtig ist zu betonen, dass dies nicht nur heterosexuelle cis Berater*innen betrifft, sondern auch alle queere Berater*innen über die eigene Rolle reflektieren sollten. Nur, weil eine beratende Person selbst queer ist, heißt das nicht automatisch, dass sie über alle notwendigen Kompetenzen verfügt. Die eigene queere Identität kann sogar zu einer trügerischen Pseudosicherheit verleiten, absolute*r Expert*in für queere Lebenswelten zu sein. So schreibt auch Verena Scharf (2022), Dozentin und Forscherin an der FH Campus Wien, in ihrem Beitrag zu queerer sozialer Arbeit in Wien:
„Gewiss wird durch die eigene queere Biographie reichhaltiges (subjektives) Erfahrungswissen angehäuft, zum Teil katapultieren diese Zuschreibungen Sozialarbeitende aber in die problematische Rolle der Stakeholder*in, Expert*in, „Token“ für all jene Themen, die ansatzweise mit sexueller und geschlechtlicher Vielfalt zu tun haben.“
Allerdings soll auch nicht bestritten werden, dass freilich die eigenen (queeren) Erfahrungen ebenso Teil einer hohen Regenbogenkompetenz sein können und vielen Berater*innen zweifelsohne bei der Arbeit mit ihren Kund*innen, Klient*innen oder Patient*innen helfen. So manche Berater*innen sind auch davon überzeugt, dass ihre Klient*innen sich bei ihnen vor allem deswegen wohl fühlen, weil sie auch selbst queer sind. Gleichzeitig sollte jedoch heterosexuellen cis Personen auch nicht abgesprochen werden, queere Menschen kompetent beraten zu können. Genauso wie ein Suchtberater nicht Erfahrungen mit Drogen gemacht haben muss, um drogenabhängigen Menschen zu helfen, muss auch ein*e Berater*in für queere Themen nicht selbst Teil von LGBTIQ* sein, um diesen Personen die notwendige Unterstützung anbieten zu können.
Regenbogenkompetenz als allgemeines Konzept in der Arbeitswelt?
Ich glaube, dass das Konzept der Regenbogenkompetenz grundsätzlich auch abseits des Beratungskontexts Anwendung finden könnte. Zweifelsohne fehlt es nämlich in den meisten Bereichen der Arbeitswelt noch an ausreichender Awareness zu queeren Themen sowie an einem adäquaten Umgang mit queeren Arbeitnehmer*innen und Kund*innen. Der Gedanke, dass jede*r Arbeitgeber*in über ausreichend Sach-, Methoden-, Sozial- und Selbstkompetenz verfügen sollte, um mit den Betroffenen das Problem gut zu lösen, mag wohl utopisch klingen. Nichtsdestotrotz glaube ich, dass das Konzept der Regenbogenkompetenz durchaus weitergedacht werden sollte. Darüber hinaus könnte es in mehreren Bereichen der Arbeitswelt angewendet und forciert werden.