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„Bestimmt ist am Stammtisch gelacht worden“

In den Vorplatz einbiegen, Türe schließen und im Zugehen mit der Frage begrüßt werden: „Sind sie die Journalist*in oder die Weinkäufer*in?“ Ganz klar, „beides“! Während also der Vater von Daniel Vogelwaid die wärmende Herbstsonne wohlverdient nach wochenlanger Lese am Vorplatz genießt, legt sein Sohn abermals im Weinkeller „von der Vogelwaide“ Hand an.

Eine Hand, sowie unzählige Hände der Wachau, durch die diese unverkennbare Schönheit über Jahrhunderte Gestalt angenommen hat. Ob die charakteristisch per Hand geschlichteten Trockensteinmauern, oder die am Hang scheinbar mit der Donau im Einklang schlängelnden Rebzeilen – der Mensch und dessen Hände haben dieses Terroir geprägt und sie tun es bis heute. Wie die Rebe sich aus den unzähligen Schichten des mitunter ältesten Gesteins Österreichs nährt, so nährt und trägt sich die Erfahrung der wissenden Hände über Generationen weiter. Nun, wir wissen auch aus Erfahrung, dass generationsübergreifendes Arbeiten auch seine Tücken mit sich bringen kann. Ebenso erschließt sich, dass vor allem in der Landwirtschaft das Hand in Hand arbeiten und Zepter weiterreichen naheliegend ist. Davon ausgenommen ist keineswegs der Weinbau. Nicht ohne Grund ist das älteste Weingut – der Nikolaihof – in der Wachau angesiedelt und wird seit 1894 über Generationen einer Familie bewirtschaftet. Das legt auch nahe, dass seit jeher ein lebendiger Tourismus das als Weltkulturerbe ausgezeichnete Flusstal besucht. Dieser lässt die Dichotomie zwischen konservativem Landleben und progressivem Stadttreiben etwas schrumpfen. Mit Blick auf queere Lebensweisen ein Schaf im Wolfspelz sozusagen.

Weinkeller „von der Vogelwaide“ (Foto: Flow)
Weinkeller „von der Vogelwaide“ (Foto: Flow)

Es ist trivial – historisch und bis dato – zu erwähnen, dass queere Landwirt*innen und Weinhauer*innen oft gezwungen waren und sind, ihre sexuelle Orientierung zu verbergen oder sogar ihre Karrieren aufzugeben, um Diskriminierung und Ausgrenzung zu vermeiden. Glücklicherweise haben sich in den letzten Jahren die Dinge geändert und Daniel Vogelwaid und Michael Donabaum haben entgegen einer potenziellen Eingrenzung 2019 ihren ersten Weingarten in Ried Schön im Spitzer Graben erworben. „Bestimmt ist am Stammtisch gelacht worden, aber wir haben das nie als negativ abbekommen und empfunden. Ich habe das tatsächlich manchmal negativer in Wien empfunden als hier“, erzählt der Kellermeister Daniel. Generell erscheint die Weinbranche innerhalb des Studiums oft konservativer, „also die tut immer so, dass sie so offen und modern ist. Das sind sie gar nicht. Die sind relativ konservativ. Von unserer jungen Generation bin ich immer überrascht – wenn man jetzt die Naturweinszene ausnimmt, die ist sehr dynamisch und die Leute kommen von überall her – aber, wenn man jetzt mal die klassische Weinbauszene nimmt, die ist schon sehr konservativ. Also erschreckend konservativ find ich vor allem unsere Generation. Da hats Leute darunter, die sind konservativer wie ihre Eltern und das erschreckt mich eigentlich immer.“

Eine familiäre Gegend mit einer Vielzahl an Generationen. So ist es auch für Michael eine interessante Auseinandersetzung gewesen. Als Sohn einer Winzerfamilie in Spitz, dachte er lange Zeit er ist der einzige schwule Winzer, bis er seinen heutigen Lebenspartner Daniel kennenlernte.

Weinkeller „von der Vogelwaide“ (Foto: Flow)
Weinkeller „von der Vogelwaide“ (Foto: Flow)

Und gerade in der Landwirtschaft bedarf es Unterstützung, denn die Landwirtschaft kommt selten allein. Diese haben die beiden in ihren Anfängen von beiden familiären Seiten erfahren können und ohne der tatkräftigen Unterstützung von Oma Donabaum hätten die ersten gesetzten Reben um einiges länger auf sich warten lassen. Daniels Ursprünge liegen unterdessen bei Stuttgart, von wo aus seine Eltern rund dreimal jährlich den Weg in den Osten auf sich nehmen, wann immer unterstützende Hände gebraucht werden. „Von der Vogelwaide“ erfuhr einen turbulenten Start nachdem kurz darauf die Corona-Pandemie ausbrach, jedoch sind innerhalb der letzten Jahre die Weingärten auf eine stattliche Größe von 2,5 Hektar herangewachsen. Das bedarf einer ganzjährigen Unterstützung. Damit kam kurzerhand eine andere familiäre Hilfe herbeigeeilt – Schafe, mit Schmuseschaf Wolliver. Auch wird Platz für Praktikant*innen geschaffen, wodurch die beiden einen offenen, sicheren und queeren Garten für Weinbau-Interessenten ermöglichen.

Dieser Garten soll in seiner vielfältigen Kreislaufwirtschaft bestmöglich erstrahlen und so war es naheliegend, dass Hand angelegt wird und der Anbau biodynamisch erfolgt. Der Faden zieht sich weiter in den Keller, in dem ohne Hefe und in Burgundfässer ohne viel Schnick Schnack vinifiziert wird. Rundum bedeutet das eine mutige Abzweigung vom sehr traditionellen Wachauer-Weinbau mit Drift in die Naturweinszene. „Wir ecken viel stärker an mit dem Weinstile, den wir betreiben, als mit der Lebensform, die wir haben. Also darüber regen sich die Leute viel mehr auf. Da ist es dann auch so, dass es Konflikte gibt.“

Weinkeller „von der Vogelwaide“ (Foto: Flow)
Weinkeller „von der Vogelwaide“ (Foto: Flow)

Für beide war von vornherein klar, der Wein steht im Vordergrund. Schlicht, grazil und mit Auge für das feinste Detail von Michael ist das Etikett sowie die Flasche, bis hin zum nachhaltigen Wachsverschluss raffiniert und wohl überlegt. Aus dem heraus war sowohl für Michael als auch Daniel von vornherein klar, dass sie bio und queer am Etikett außen vor lassen, um den Weinverkauf nicht darauf zu reduzieren. Wer diese Aspekte wissen möchte, hat keine Mühe es herauszufinden, denn versteckt wird es definitiv nicht. Deshalb steht für einige Käufer*innen die Queerness klar im Vordergrund und motiviert Kartonagen „von der Vogelwaide“ zu erwerben – apropos, unter anderem auf den Kartonagen ist es vermerkt.

Ihrem Wein verleihen sie Finesse mit besonnen Hangriffen, Flaschenreife vor dem Verkauf und Potential zum Einlagern. In der Welt des Weins vereinen sich die Vielfalt der Aromen, die Freiheit des Queer-Seins und die Leichtigkeit des Vogelflugs zu einem harmonischen Abschluss, der uns daran erinnert, dass wahre Genüsse keine Grenzen kennen.

Von Flow

In der Mediengestaltung tätig