Zeichen setzen
„Mario Lindner ist einer der wenigen Politiker, der Land, Stadt, Blasmusik, Feuerwehr, Zeltfest, Veranstaltungen im Kunsthistorischen Museum und auf der Regenbogenparade, alles unter einen Hut zusammen bringt. Das macht ihn authentisch, und er weiß wie es einem Schwulen auf dem Land und in der Stadt geht, weil er beides kennt“, schreibt sein Kollege auf Twitter.
Lindner ist derzeit ehrenamtlich regionaler Vorsitzender der SPÖ in der steirischen Gemeinde Liezen. Dort arbeitet er auch hauptberuflich als Regionalsekretär des Österreichischen Gewerkschaftsbundes, ÖGB. In seinem Büro hängt das Porträtbild des ehemaligen Bundespräsidenten Heinz Fischer an der Wand. Ihn hat Lindner zwölf Jahre politisch begleitet, von 2004 bei Fischers erstem Wahlkampf zum Bundespräsident bis 2016, als Lindner als Bundesratspräsident Fischer aus dem höchsten Amt verabschiedete. Es fasziniert ihn, wie Fischer mit menschlicher Sympathie persönlich auf die Menschen zugeht und ihre Hand schüttelt.
In Zeiten des Corona-Lockdowns kommuniziert Lindner in digitalen Medien, die realen sozialen Kontakte, wie zum Beispiel beim Kartenspielen und im Gastgarten, vermisse er. Seine ehrenamtlichen Einsätze als Sanitäter beim Roten Kreuz und bei der Freiwilligen Feuerwehr vor Ort schätze er jetzt besonders, sagt Lindner.
Aus Verantwortung gegenüber der LGBTIQ*-Community setzte Lindner 2016 ein bewusstes Zeichen auf der Regenbogenparade in Wien, um Homosexuelle in den obersten politischen Reihen Österreichs sichtbar zu machen. Eigentlich hatte er sein erstes Coming-out schon mit etwa 20 Jahren vor engen Freund*innen und Kolleg*innen. Es ist für ihn ein schönes Gefühl auf der Pride vor tausenden Menschen zu reden und ihnen Mut zu machen, zur gleichgeschlechtlichen Liebe zu stehen. Doch seinen schönsten Moment auf der EuroPride 2019 hat er erlebt, als Altbundespräsident Fischer die Parade eröffnete und der amtierende Bundespräsident Van der Bellen bei der Abschlusskundgebung sprach.
Der steirische Bundespolitiker und Gewerkschaftsfunktionär Mario Lindner wurde am 30. März 1982 in Leoben, Steiermark, geboren. Bereits in seiner Lehrwerkstatt in Wien war Lindner Jugendvertrauensrat, so kam er zur Gewerkschaftsjugend. Seine Lehre zum Elektroinstallateur hat er 2001 abgeschlossen und drei Jahre als Fahrleitungselektriker bei den Österreichischen Bundesbahnen, ÖBB, gearbeitet. Danach hat seine Karriere in der Gewerkschaft und in der Politik begonnen: Er engagierte sich als Vorsitzender der bundesweiten Gewerkschaftsjugend FSG für SchülerInnen, Lehrlinge und Studierende. Seit 2004 arbeitet er als Sekretär beim ÖGB und parallel dazu hat er mit der Parteipolitik in der Steiermark begonnen. Mit 23 Jahren wurde Lindner Gemeinderatsmitglied in der Gemeinde Landl, wo er sieben Jahre, von 2009 bis 2015, den Vorsitz der Ortspartei SPÖ übernahm. Seine Arbeit in der Gewerkschaft und Jugendpolitik hat ihn geprägt und bewegt, den parteipolitischen Weg der SPÖ zu gehen. Nach der steirischen Landtagswahl 2015 entsandte die SPÖ-Parteispitze Lindner in die Bundespolitik, wo er als Bundesrat in der zweiten Kammer des Parlaments bis 2017 politisch aktiv war. Es sei ihm dabei relativ gut gelungen, mit der Frage nach digitaler Zivilcourage die Themen Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik politisch einzubinden, sagt Lindner. In seiner Funktion als Bundesratspräsident, das er für ein halbes Jahr turnusgemäß übernahm, hat er sich mit dem Thema Hass im Netz beschäftigt und ein Grünbuch dazu parteiübergreifend und lösungsorientiert erarbeitet.
Seit Juni 2017 ist er Vorsitzender der bundesweiten LGBTIQ*-Organisation SoHo der SPÖ und war für zwei Jahre der einzig offen schwule Abgeordneter zum österreichischen Nationalrat. Es folgte der Ibiza-Skandal und nach der Neuwahl im Herbst 2019 scheidet Lindner als Nationalratsabgeordneter aus, bleibt aber nächster Nachrücker auf der Bundesparteiliste der SPÖ. In guter Zusammenarbeit mit seiner Parteikollegin Heinisch-Hosek, zuständig für Frauenpolitik, sei es für ihn möglich, auch ohne persönliche Anwesenheit im Nationalrat queere Politik im Parlament zu machen, was für die SoHo gut sei. Es sei aber noch viel aufzuholen, um die gläserne Decke innerhalb der eigenen Partei für mehr sichtbare Angehörige der LGBTIQ*-Community zu durchbrechen. Der Aktivisimus und die Kampagnenarbeit der SoHo haben seiner Partei im Parlament und in der Öffentlichkeit starken Auftrieb verliehen, so Lindner.
Seit 1983 gibt es im Parlament aber durchgehend Mehrheiten rechts der Mitte und damit gegen LGBTIQ*-Rechte. Wie die Community damit umgehen soll, sei für Lindner schwierig zu sagen, weil eigentlich bekannt sei welche Parteien sich für LGBTIQ*-Rechte einsetzen. Aber selbst in den zehn Jahren 2007 bis 2017 hat die SPÖ mit dem Bonus eines Bundeskanzlers in der rot-schwarzen Regierung nicht alles durchsetzen können. Neben dem Meilenstein der eingetragenen Partnerschaft gab es leider keine Erfolge für Fragen wie das Ende des Blutspendeverbots für Homosexuelle oder das Levelling-up, also Schutz vor Diskriminierung z. B. beim Vermieten einer Wohnung. Dennoch ist es für Lindner fair der Grünen Fraktion vorzuwerfen, sich als kleiner Koalitionspartner bei LGBTIQ*-Themen nicht durchzusetzen, obwohl vor der Nationalratswahl 2017 die SPÖ selbst aus Koalitionsgründen im Nationalrat gegen den Grünen Fristsetzungsantrag für die Ehe für alle stimmte. Infolge hat Lindner, damals als Mandatar im Bundesrat, seine eigenen ParteikollegInnen öffentlich kritisiert und ihnen vorgeworfen, damit eine communityfeindliche Politik zu machen. Das müsse auch eine Regierungspartei aushalten, sagt er. Schließlich vermisst er diese symbolhaften Aktionen und Reaktionen beim Abstimmungsverhalten der Grünen Regierungspartei, so wie auch Lindner im Bundesrat, gegen seine eigene Partei, für bessere Flüchtlingspolitik gestimmt hatte. „Queere Abgeordnete müssen ab und zu dagegen stimmen, um glaubwürdig zu bleiben, auch ohne einer Mehrheit für oder gegen den Antrag, solche symbolhafte Zeichen braucht die Community“, sagt Lindner und verweist auf einige Grüne Abgeordnete zum Nationalrat aus der LGBTIQ*-Szene. Bereits im Bundesrat hatte er mit der Grünen Mandatarin Ewa Ernst-Dziedzic gut zusammengearbeitet. Er kann sich daher in Zukunft eine rot-grüne Koalition auf Bundesebene vorstellen. „Die Kosten der Corona-Pandemie wird der Knackpunkt für die türkis-grüne Bundesregierung sein, sobald diese Pandemie unter Kontrolle ist und das soziale Leben wieder stattfinden wird“, sagt Lindner. In seinem Gegenmodell zur aktuellen österreichischen Bundespolitik zeigt er auf, wie das Leben der Menschen besser wird, wenn die ÖVP in die Opposition wechselt. Lindner strebt als politisches Ziel an, eine linke progressive Mehrheit im österreichischen Nationalrat zu bekommen, um im österreichischen Parlament mehr Rechte für die LGBTIQ*-Community zu beschließen.
Kurz nach diesem Gespräch wurde klar, dass Mario Lindner demnächst erneut in den Nationalrat einziehen wird. Nach dem Ausscheiden von Thomas Drozda wird Lindner dort ab Ende März als Sprecher für Gleichbehandlung, Diversität und LGBTIQ* wieder dem SPÖ-Parlamentsklub angehören und die SoHo Österreich im Hohen Haus vertreten.