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Jugendstil

Generationenkonflikt(e)

Der Jugendstil soll die Perspektive der QYVIE, also der jungen HOSI, zeigen. Im Heft über Diskriminierung ist daher das Thema Alter naheliegend.

Mir sind zwei gegenläufige Phänomene aufgefallen: Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit. Unsere Community ist offensichtlich jugendsüchtig, das zeigt sich in Werbung, Social Media, Kunst, Musik und eigentlich in allen Facetten queeren Lebens. Die einzigen relevanten Personen Ü50, die von schwulen Männern verehrt werden sind Cher und Madonna. Darstellungen und Perspektiven von Queers Ü40 kommen faktisch nicht vor. Auch die begrüßenswerte Entwicklung von immer mehr queere Charaktere in Filmen und Serien, macht davor nicht Halt: Alter ist unsichtbar und Jugend allgegenwärtig. Gleichzeitig sind auch die Bilder, die von queerer Jugend gemalt werden, von Klischees geprägt.

Bei aller queerer Medienpräsenz fehlt es auch im Jahre 2021 noch an Vorbildern, an Menschen, die gelungene queere Lebensentwürfe vorleben. Damit meine ich realistische Lebensentwürfe: nicht Ellen DeGeneres, Elliot Page, Troye Sivan und andere Stars, sondern den schwulen Fußballtrainer, der am Vereinsfest mit seinem Partner erscheint, die lesbischen Mütter, die sich mit ihren Kindern abmühen, oder die nicht-binäre Lehrperson, die großartigen Spanischunterricht gibt. Viele Gründe führen dazu, dass ganze queere Generationen unsichtbar sind: rechtliche und gesellschaftliche Diskriminierung, Verdrängung und Vermeidung. Oft war das Nicht-Auffallen irgendwas zwischen Ziel und Überlebensstrategie. Viele großartige Menschen haben wir leider auch verloren, einige haben dem Druck geschlechtlicher und sexueller Normen nicht standgehalten und auch die AIDS-Krise hat tiefe, bis heute nicht verheilte Wunden geschlagen.

Das Internet und seine queeren Plattformen wie Grindr und Co haben sicher viele Vorteile, man kann Menschen in seinem (sexuellen) Suchraster schneller finden als je zuvor. Doch die meisten User*innen solcher Plattformen legen diese Schablone auf alle Interaktionen an. Gleichzeitig ist die Kommunikation online wesentlich entfremdeter, anonymer und entsprechend brutaler. Auf ein freundliches „Hi“ wird nicht reagiert, andererseits finden sich Beleidigung oder Obszönität (ungefragte Dick-Pics z.B.). Was also passiert ist eine meistens nicht stattfindende und wenn dann einseitige Kommunikation, auch der Generationen. Im Endeffekt führen diese Mechanismen zu Klischees, nämlich jenem der oberflächlichen Jugend, die an keinem Austausch interessiert ist, und jenem der übergriffigen, notgeilen Alten, die nur auf das Eine aus sind. Beides ist falsch. Meine Erfahrungen in der HOSI, bei queeren Vernetzungstreffen oder auch bei Events, die von Queers Ü40 für Queers U30 organisiert werden, wie etwa das schwule Sommercamp, haben mir gezeigt, wie lehrreich und wundervoll Austausch zwischen den Generationen sein kann. Ich kann sagen, dass ich die vermutlich wichtigsten Gespräche, die meinen Aktivismus, mein Denken und mein Selbstverständnis als schwuler Mann prägten, nicht mit Gleichaltrigen geführt habe.

Nun sind wir ja zum Glück nicht alle nur online unterwegs und es gibt sie ja auch, die potenziellen Vorbilder und Gesprächspartner. Doch wo können wir einander begegnen? Die nicht-queere Welt hat mit traditionellen Familienverbänden, Vereinen, Kirchen etc. viele Orte der Begegnung. Wenn wir die queere Welt aber nur als Bars, Clubs und das Internet sehen, dann fehlen uns Möglichkeiten. Zum Glück ist das aber nicht alles. Es gibt schon ein paar Orte, die solche Begegnungen ermöglichen, z.B. in Wien das Gugg, den Regenbogenball, die Parade, das Pride Village und die Villa. Außerdem steht es uns frei neue zu schaffen. Wir müssen sie nur stärker frequentieren und das respektvolle Gespräch suchen. Bei der HOSI Wien etwa sind fast alle Arbeitskreise generationenübergreifend. Wenn das Gugg wieder aufsperrt ist für jede*n was dabei. Wenn jemand motiviert ist und Lust auf Austausch hat kann man in jedem Umfang teilnehmen und mitwirken. Auch jenseits der HOSI können wir, zum Beispiel im Rahmen der Pride, Begegnungen ermöglichen, für neue Ideen ist Platz genug. Ich glaube, dass wir als Community mehr zusammenwachsen müssen und das passiert vor allem durch Begegnung, Respekt und ganz viel Liebe.

Von Peter Funk

Arbeitsgruppe Internationales
HOSI Wien
(Foto: © Marie Dvorzak)