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Editorial

Eine inakzeptable Situation

LGBTIQ*-Personen sind in den verschiedensten Alltagssituationen immer noch Diskriminierungen ausgesetzt, das steht außer Frage. Dass das in Österreich in vielen Fällen auch 2021 noch legal ist, ist inakzeptable. Seit Jahren ist die Aufwertung des Diskriminierungsschutzes (Levelling-up) eine der zentralen Forderungen der HOSI Wien und der gesamten Community. Denn queere Menschen sind nur bei Beschäftigung und Beruf durch das Gleichbehandlungsgesetz geschützt, doch außerhalb des Arbeitsplatzes überhaupt nicht. Das bedeutet für mich als lesbische Frau nicht nur, dass mir noch immer die gleiche unangenehme, beschämende und psychisch belastende Situation widerfahren kann, wie den zwei Frauen im allseits bekannten Prückelvorfall. Nein, ich darf auch während der Wohnungssuche diskriminiert werden, oder nachts irgendwo im nirgendwo aus dem Taxi geworfen werden. Österreich schafft es einfach nicht seine LGBTIQ*-Bürgerinnen zu schützen, anders als fast allen anderen europäischen Ländern. Das ist unverständlich und enttäuschend. Die jetzige Bundesregierung hat bisher leider eine sehr ernüchternde Bilanz bei LGBTIQ*-Themen. Die Chance, dass sie das Levelling-up umsetzt, geht gegen Null. Denn selbst in einer Pandemie, in der Blutkonserven dringend gebraucht werden, war es dem Gesundheitsminister nicht möglich, das von ihm selbst (zufällig kurz vor der Wien-Wahl) erklärte Ziel einzuhalten: die Diskriminierung bei der Blutspende noch 2020 aufzuheben. Stellen wir eines klar: Anschober ist nicht machtlos in dieser Frage, die Aufhebung des Blutspendeverbots fällt zu 100% in sein Resort und bedarf keiner parlamentarischen Zustimmung der ÖVP. Die Grünen verschanzen sich jeden Monat hinter einer anderen Ausrede. Es ist beschämend.

Doch selbst ein Diskriminierungsschutz beim Konsum und den Blutspenderegeln wären nur ein Etappensieg.

Gerade während einer Pandemie ist es erschreckend, dass LGBTIQ*-Personen beim Zugang zu medizinischer Versorgung nicht geschützt sind. Es gibt keine recht­lichen Konsequenzen, wenn medizinisches Personal queere Menschen diskriminiert. Im Sommer erzählte mir eine jungen Besucherin von homophoben Aussagen ihres Psychiaters. Diese Erfahrung im sensiblen psychischen Bereich hat der ansonsten stark und selbstbewusst auftretenden jungen Frau stark zugesetzt. Für trans Personen ist diese Schutzlosigkeit noch gravierender, da sie möglicherweise Gutachten für ihrer weitere Transition brauchen. Erschreckenderweise gilt das Gleiche für Lehrer*innen bzw. Betreuungspersonal im Bildungswesen. Diese sollen Vorbilder für die jüngsten in unserer Gesellschaft sein und ihnen neben Schulstoff auch Grundwerte vermitteln und idealerweise vorleben. Trotzdem müssen auch sie keine rechtlichen Konsequenzen für homo- und transphobe Diskriminierungen fürchten. Eine Sache dürfen wir beim Diskriminierungsschutz nie vergessen: Wir alle sind manchmal wehrlos, schlimm wird das erst wenn wir schutzlos sind. Der Kampf um vollen Diskriminierungsschutz wird uns also noch lange beschäftigen.

Doch Diskriminierung findet sich auch innerhalb der LGBTIQ*-Community. Sexismus, Rassismus, Ageism, Klassismus, Ableismus und Transphobie sind nicht exklusive Probleme der Mehrheitsgesellschaft. Nun möchte man meinen, dass gerade in einer diskriminierten Minderheit wie der unseren eine größere Sensibilität für die Erfahrung anderer Minderheiten, innerhalb und außerhalb unserer Community, bestehen würde. Leider zeigt sich immer wieder, dass dies Wunschdenken ist. Sich mit den Problemen innerhalb unserer eigenen Community zu beschäftigen ist oft schwierig und unangenehm. Trotzdem ist es umso wichtiger diese nicht tot zu schweigen. Deshalb freue ich mich besonders, dass diese Ausgabe der Lambda dieses wichtige Thema von den unterschiedlichsten Winkeln beleuchtet.

Ich wünsche ein interessantes Leseerlebnis.

Von Ann-Sophie Otte

Obfrau HOSI Wien (Foto: © Marie Dvorzak)