„Trans egal? – Wer bedroht hier unser Geschlecht?“ war der Titel eines Vortrags, den ich im Frühjahr halten durfte, und einer der Startpunkte für die vorliegende Ausgabe. Manchen mag es vorkommen, als ob es überall nur noch binäre und nicht-binäre trans Personen gäbe.
Ähnlich wie einst in der Homosexuellenbewegung, hat eine intensive aktivistische Arbeit zur Toleranzbildung bei der Allgemeinbevölkerung beigetragen. Immer mehr Menschen fühlen sich deshalb mutig genug, diesen Aspekt ihrer Identität mit der Welt zu teilen. Mit steigender Sichtbarkeit steigt jedoch ebenso wieder die Angriffsfläche für Hass, und sie wird genutzt. Eine Situation, in der sich die sprichwörtliche Katze selbst in den Schwanz zu beißen scheint.
Durch ein wenig Abstand zu den Anfängen, gerade der Homosexuellenbewegung, lässt sich nun mit Freude beobachten, es hat sich Einiges zum Besseren gewendet. „Früher war alles besser“ ist kein Satz, den ich bisher oft von älteren LGBTIQ-Menschen gehört habe. „Es wird besser“ ist hingegen sogar der Name eines Anti-Mobbing-Projekts, welches jungen Menschen Mut für die Zukunft als Teil unserer Regenbogenfamilie machen soll. Doch um dieses Versprechen einhalten zu können, und das sage ich mit großer Bestimmtheit, müssen wir zusammenstehen!
Assimilation durch Nachahmung ist ein bereits aus anderen Bereichen erforschtes Phänomen, unter dem momentan gerade viele trans Personen leiden. Das Problem: Eine vormals stärker unterdrückte Minderheit übernimmt aus tiefsitzender Angst heraus selbst stigmatisiert zu werden, gewaltsame Methoden der Abwertung anderer unterdrückter Minderheiten. Diese Ausgabe der Lambda ist genau deshalb so wichtig, weil das Thema Transidentität momentan nicht nur von außerhalb der Community im Grundsatz hinterfragt wird. Die Debatte bewegt sich also auf einer Ebene, die sich nicht mit den unterschiedlichen und überschneidenden Bedürfnissen der einzelnen Gruppen auseinandersetzt, sondern stattdessen zu hinterfragen versucht, OB es überhaupt trans Personen geben kann, und OB trans Personen dieselben Rechte verdienen wie andere Menschen. Wie genau sollen wir unsere Rechte eigentlich verteidigen und in Zukunft weitere erkämpfen, wenn nicht solidarisch miteinander? Das Ziel von Unterdrückenden ist stets die Spaltung der Unterdrückten in viele kleine Gruppen, um mögliche Gegenwehr zu vereiteln. Es ist also wichtig, nicht leichtfertig ihre Sprache und Argumentationsstrategien zu übernehmen, wie das uns momentan gehäuft bei Rechtspopulisten passiert.
Die Angleichung der Rechte von trans Frauen an die von cis Frauen widerspricht nicht den Zielen des Feminismus. Die Anerkennung der Existenz von trans Personen allgemein negiert nicht die Existenz der Geschlechter. Es müssen genausowenig alle Menschen trans werden, wie sie nicht homosexuell werden mussten, als sich die Sichtbarkeit für Homosexuelle erhöhte.
Das sind Bedrohungsszenarien, welche allein deshalb aufgetan werden, um von anderen strukturellen Problemen abzulenken. Hüten wir uns, als Steigbügelhalter für die Verbreitung von Desinformation zu agieren. Denn nicht trans Personen bedrohen unsere Geschlechter, es sind die reaktionären Kräfte, die weitere Verbote für körperliche Selbstbestimmung erreichen wollen. Sei es bei Schwangerschaftsabbrüchen, medizinischen Transitionen, oder indem sie uns versuchen vorzuschreiben, mit wem wir einvernehmlich intim werden.
Transidente Aktivist*innen kämpften von Anfang an im Schulterschluss mit den L, den G, den B, den I und den Q…waren schon immer in der einen oder anderen Form da, und werden es auch immer sein. Außerdem gibt es ohnehin genauso schwule trans Männer, wie nicht-binäre Pansexuelle, schwangere inter Personen, eben alle (un-)vorstellbaren Kombinationen. Wollen wir in einer Welt leben, in der wir uns gegenseitig jeweils auf ein einziges Merkmal reduzieren, oder schaffen wir es, uns aufzuraffen, Mitgefühl, Verständnis und Gemeinschaftlichkeit erneut zu unseren Leitsätzen zu machen?