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Queeres Leben

In München wurde im Frühjahr die viel beachtete Ausstellung „To be Seen. Queer Lives 1900-1950“ gezeigt. Dazu ist ein 400 Seiten starker Ausstellungskatalog erschienen. Dieser kann allen Personen, die sich für queere Geschichte interessieren, empfohlen werden – auch wenn sie die Ausstellung nicht gesehen haben. In dem Buch wird queere Geschichte in ihrer ganzen Vielfalt vorgestellt. So erfahren Leser*innen beispielsweise viel über trans* Personen wie etwa über Gerda von Zobeltitz. Ihr wurde bei der Geburt das männliche Geschlecht zugewiesen. Sie erhielt 1913 als eine der ersten trans* Personen einen behördlichen Ausweis, der ihre Identität als Frau beglaubigte. 1930 machte sie mit anderen queeren Personen einen Ausflug. Die Gruppe wurde dabei von alkoholisierten Polizisten beleidigt. Statt zu fliehen, leisteten die queeren Menschen „Widerstand und kämpften selbstbewusst für ihre Rechte“, wie es in dem Buch heißt. 1929/30 wird mit D´Eon die erste Vereinigung für trans*-Personen gegründet, benannt nach dem französischen Offizier Charles d´Éon de Beaumont (1728-1810), der jahrzehntelang offen als Frau lebte. Das Buch stellt auch Bezüge zur jetzigen Zeit her. Lesenswert ist der Beitrag von Michaela Dudley, einer trans* Frau und Queerfeministin mit afroamerikanischen Wurzeln. Sie schreibt, dass sie in ihrer Jugend „bedroht und beschimpft, verwünscht und sogar vergewaltigt“ wurde. Das Leben habe sie zur Aktivistin gemacht. In dem Buch finden sich auch viele Abbildungen von Kunstwerken von queeren Künstler*innen, wie von Zackary Drucker, die sich mit der Geschichte von trans* Personen und deren Kampf gegen Unterdrückung auseinandersetzt.

Karolina Kühn und Mirjam Zadoff (Hg.): To be seen. Queer Lives 1900-1950. Hirmer Verlag, München 2023.

Von Christian Höller

Christian Höller ist Psychotherapeut und hat eine Praxis in Wien.