Wenn heutzutage in feministischen Kreisen über Pornographie gesprochen wird, geht es um Fragen von Zugängen zu queer-feministischer Pornographie, die unter möglichst ethischen Bedingungen (Einverständnis der Darstellenden, Respekt vor sexueller Gesundheit, gute Bezahlung, etc.) entstanden ist. Feministische Debatten der 80er, vor allem geprägt durch die “PorNO”-Kampagne des EMMA-Magazins (1987/88), beschäftigten sich ebenfalls mit ausbeuterischen Bedingungen, vor allem aber waren sie davon geprägt, dass Pornos (im Mainstream bis heute) für und von (hetero cis) Männer produziert werden. Die Debatte in den 80ern kritisierte aber nicht nur diesen male gaze (männlichen Blick), sondern war teils von radikalen Ansichten geprägt: Die Wissenschaftlerin Andrea Dworkin, die auch mit Alice Schwarzer zusammenarbeitete, sah in jeglicher Pornographie Gewalt gegen Frauen und sogar die Ursache für Vergewaltigung von Frauen.
Dass Bilder machtvoll sind, zeigt sich bei Pornographie von zwei Seiten: Zum einen können sie ein verzerrtes Bild von Sexualität zeigen, deren Effekt insbesondere auf Jugendliche vielfach untersucht wurde. Zum anderen verkörpern Bilder oft, wer diese in Auftrag gibt, erstellt und vorrangig konsumiert. Der male gaze scheint in Mainstream-Pornographie, die die Lust und Perspektive von Männern in den Fokus stellt, bis heute unverkennbar. In den 80er Jahren dürfte dies aufgrund anderer gesellschaftlicher Gegebenheiten, noch stärkeren sexuellen Tabus und fehlender finanzieller Ressourcen für Pornographie von Frauen noch deutlicher der Fall gewesen sein. Die Sexualisierung der Frau durch den male gaze war insgesamt ein bestimmendes Thema für den Feminismus der 2. Welle und beispielsweise auch im Kampf gegen sexistische Werbung ein präsentes Thema.
Relevante Fragestellungen zu Pornographie haben sich weiterentwickelt, aber während einige Themen, wie die Frage nach fairen Arbeitsverhältnissen, geblieben sind, hat sich die Frage danach, für wessen Blick produziert wird, diversifiziert: Insbesondere in der queer-feministischen Szene spielt die Frage nach der Repräsentation verschiedenster Körperformen und Paar- oder Gruppenkonstellationen und wer die Inhalte bestimmen darf, eine große Rolle. Gleichzeitig haben sich die technischen Voraussetzungen stark verändert, und fast jede*r kann heute mit dem Smartphone Filme erstellen und beispielsweise auf den Community-Portalen einschlägiger Webseiten hochladen. Kombiniert mit Deep Fakes (eine sehr realistische Fotomontage, die teils nicht von echten Bildern unterschieden werden können) eröffnet das leider auch viele Möglichkeiten für Missbrauch, wie beispielsweise die Veröffentlichung von Rachepornos, einer Form von Cybergewalt, bei der Bild- und Filmmaterial, beispielsweise nach einer Trennung, aus Rache online gestellt werden.
Mit der Frage nach Produzent*innen und Regie rückt nämlich auch die Frage nach der Kontrolle über das Bildmaterial in den Fokus. Die ethischsten Pornos sind demnach die, bei denen die Darstellenden ein Mitspracherecht über das Endprodukt haben, alle freiwillig und gut entlohnt mitmachen, und der Film nicht für einen patriarchal geprägten Blick produziert (oder dieser zumindest reflektiert) wird.
Nachdem Pornographie heute aus vielen Perspektiven erstellt und konsumiert wird, wäre ihre Bezeichnung als „Liebesarbeit“ an Männern durch Feminist*innen sicher nicht mehr zeitgemäß. Den ethischen Konsum muss jede*r für sich selbst reflektieren, aber für die queere (und weibliche) Lust ist die heutige Diversität von Pornographie sicher eine positive Entwicklung und ein potenzieller feministischer Lustgewinn.
Leseempfehlung zu feministischen Kämpfen der 80er Jahre: Brigitte Geiger & Hanna Hacker (1989). Donauwalzer Damenwahl. Frauenbewegte Zusammenhänge in Österreich. Promedia Verlagsgesellschaft m.b.H., Wien.