Gar nicht so einfach, meine letzte Kolumne für die Lambda (Nachrichten) zu schreiben, nach fast 24 Jahren, in denen ich meine Gedanken zu LGBTIQ-, Frauen-, feministischen oder anderen Themen aktueller (Gesellschafts-)Politik, hier und anderswo, formuliert habe.
Begonnen hat es mit meinem Einzug in den Nationalrat Ende 1999 – und jetzt wird es Zeit, dass sich andere aus feministischer/lesbischer Sicht Gedanken machen. Ich freue mich, dass der „Lesben*Rat“ dies übernehmen wird, danke!
Worüber soll ich aber zum Abschluss schreiben? Da fällt mir ein Thema meines Dolmetschstudiums in Innsbruck ein, Ende der 1970er, Anfang der 1980er Jahre: Wie Begriffe übersetzen oder dolmetschen, die es in einer anderen Sprache, einer anderen Region nicht gibt, weil es die Institution, die Errungenschaft oder auch banal das Obst dort nicht gibt? Welche Weltanschauung steckt dahinter?
Anlass war die Übersetzung von „Eingetragener Partnerschaft“ auf einem offiziellen Dokument für Argentinien, wo es die „Ehe für alle“ gibt, aber kein ähnliches, paralleles Rechtsinstitut wie in Österreich. In Österreich hat das mit dem Widerwillen der ÖVP zu tun, gleich die Ehe zu öffnen, weshalb wir 2009 andere Wege gehen mussten. Dann hat der VfGH 2017 nachgeholfen, und seit 1. Jänner 2019 können alle wählen: zwischen der althergebrachten Ehe und der in einigen wenigen Punkten moderneren EP.
Wie also „Eingetragene Partnerschaft“ übersetzen, wenn sie rechtlich als „der Ehe gleichwertig oder vergleichbar“ gilt? Ich wäre ja dafür, „EP“ einfach mit „Ehe“ zu übersetzen – aber bei der Übersetzung eines offiziellen Dokuments wäre das wohl inakzeptabel. „Unión civil“, also „Lebensgemeinschaft“, ist eine oft ins Spiel gebrachte Option – doch ich halte das für eine ideologisch begründete Option von Leuten, die Vorbehalte gegenüber der rechtlichen Gleichstellung von uns Lesben und Schwulen haben. Denn „unión civil“ bedeutet „Lebensgemeinschaft“, also die „niedrigste Stufe“ des staatlich anerkannten Zusammenlebens zweier Menschen – und weit entfernt von der österreichischen EP.
Apropos Ideologie: in meinem viel benutzten Synonym-Wörterbuch, Wehrle-Eggers „Deutscher Wortschatz“, das ich 1979 erstand, fand ich einige Beispiele für ideologisch begründete Formulierungen: „homosexuell“ und „lesbisch“ als Synonyme für „Unreinheit“ – gleich neben „pervers, pervertiert, sadistisch, masochistisch“ und „sodomitisch, hurerisch, prostituiert“ – kein Wunder, dass es damals sehr schwer war, ein positives Selbstverständnis zu finden. Moderne Wörterbücher würden sowas nicht mehr wagen.
Was also tun mit der „Eingetragenen Partnerschaft“? Das Europaparlament benutzte „pareja registrada“, die österreichischen Botschaft in Argentinien „unión registrada“ – und so übersetzten wir es auch, mit Fußnote, dass in Österreich Ehe und EP „gleichwertig oder vergleichbar“ sind. Hoffentlich verstehen die argentinischen Behörden dieses österreichische Unikum von zwei fast gleichen, auf jeden Fall „gleichwertigen“ Rechtsinstituten – und machen bei anstehenden Erbrechtsfällen oder Pensionsansprüchen keine Probleme.
So zeigt sich, dass auch beim Übersetzen und Dolmetschen, so neutral es eigentlich sein sollte, immer auch weltanschauliche und gesellschaftspolitische Ansichten mitspielen. Obst und Gemüse jedoch unterliegen nicht ideologischen Vorbehalten – sondern simplen naturbedingten. Beispiel gefällig? In den meisten Teilen Lateinamerikas werden v.a. „Limetten“ (also die kleinen grünen kugelrunden Zitronen mit der dünnen Schale) verwendet, sie heißen „limones“ – während wir hier v.a. die größeren gelben „Zitronen“ mit der dicken Schale verwenden. Also Achtung bei der Zubereitung von Speisen oder Cocktails – und jeweils die richtigen „limones“ verwenden ;-)!
Ulrike Lunacek, langjährige Bundes- und Europapolitikerin der Grünen, ist u.a. Obfrau der Frauensolidarität und lebt als Autorin (jüngst erschienen „Zwei Grüne Leben“, „Global Female Future“) und Moderatorin in Wien. Ihre Kolumnen und Artikel aus den ersten 10 Jahren (ab 1995) in der (Partei- und Parlaments-)Politik sind 2006 erschienen, unter dem Namen „Zwischenrufe“, im Milena-Verlag. Nur mehr antiquarisch erhältlich.