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801 Zentimeter gegen Homophobie

Einfach gaynial

Frauenfußball-Sommer 2022 für Hobby- und Profi-Fußballvereine.

Die Frauenfußball-Europameisterinnenschaft der UEFA hat vom sechsten bis 31. Juli 2022 in London stattgefunden. Alle Frauenfußballteams haben ihre Kapitäninnenschleifen in den Regenbogenfarben öffentlich medienwirksam getragen, als Zeichen für gleiche Rechte von LGBTIQ*-Menschen im Fußballsport. Auch die österreichische Frauenfußball-Elf hat es wieder in das Viertelfinale geschafft, immerhin unter die acht besten Frauenfußballteams. Tausende Frauenfußballfans haben beim Finale zwischen England und der achtfachen EM-Rekordtitelträgerin Deutschland im Londoner Wembley-Stadion, vor den Bildschirmen zuhause oder beim Public Viewing an öffentlichen Plätzen zum Beispiel in der Ottakringer Brauerei in Wien begeistert mitgefiebert. Nach dem 1:1 in der zweiten Halbzeit durch Toone (E, 62. Spielminute) und Magull (D, 79. Spielminute) erzielte in der 111. Spielminute in der Verlängerung Kelly das entscheidende 2:1 für die englischen Lionesses. Es ist der zweite Titel für das „Mutterland des Fußballs“ England, nach dem WM-Finale der englischen Männer im Jahr 1966 ebenfalls in London gegen Deutschland sind nun die englischen Fußballerinnen verdiente Titelträgerinnen der Europameisterinnenschaft. Da der UEFA-Präsident Aleksander Čeferin bereits weitere Investitionen in den professionellen Frauenfußball angekündigt hat und sagte, der Frauenfußball müsse auf genau dieselbe Weise wie der Männerfußball entwickelt werden, ist zu hoffen, dass sich die geschlechtergerechte Gleichstellung auf infrastruktureller wie finanzieller Ebene, also auch bei der Höhe der Preisgelder, demnächst ergeben wird. Das Interesse am Frauenfußballspiel ist jedenfalls stets im Anstieg. Auch in den österreichischen Medien sind die Frauenfußballspiele im Jahr 2022 besser sichtbar als noch vor elf Jahren, als die ersten Public Viewing-Veranstaltungen in Wien bei der Frauenfußball-WM organisiert wurden.

Auch im Hobbybereich spielen immer mehr Frauen in Österreich motiviert Fußball

Knapp eine Woche nach dem Finale der Fußball-Europameisterinnenschaft am sechsten August 2022 fand das zehnte Frauen-Hobbyfußballturnier des Sportvereins SV Die Gaynialen statt. Seit zwölf Jahren gibt es diesen Sportverein. „Wir sind froh, unser Gaynialenturnier wieder austragen zu können“, sagt Obfrau Andi. „Schließlich haben schon viele Fußballspieler*innen von Hobby-Sportvereinen unter dieser Corona-Pandemiezeit gelitten“. Besonders erfreut war die Obfrau, dass wieder zehn Teams beim Turnier teilgenommen haben. Die teilnehmenden Teams wurden per Losziehung in zwei Gruppen zu jeweils fünf Teams eingeteilt, sagt die Vereinsobfrau. Nach den jeweils 12 Minuten dauernden Gruppenspielen haben die fünf Platzierungsspiele zu jeweils 15 Minuten zwischen den beiden Gruppenletzten bis zu den Gruppenersten stattgefunden. Die Fußballspielerinnen seien in Top-Stimmung und hochmotiviert, wodurch gemeinsames Planen und Durchführen dieses Jubiläumsturniers auf dem niederösterreichischen Sportplatz in Markt Piesting gut möglich war. Letztendlich seien die Spielerinnen vom Sportverein SV Die Gaynialen wieder näher zusammengekommen nach zwei Jahre coronabedingter Spielpause.

2010 hat es angefangen: Die Mitgründerin und Vereinsobfrau des SV Die Gaynialen hat gemeinsam mit einer zweiten Teamkollegin jeweils zwei Spielerinnen von verschiedenen Hobbyteams in Niederösterreich, wo Homophobie leider noch präsent war, angerufen. Das Ziel war ein eigenes Frauenfußballteam zu gründen, um ein sichtbares Zeichen gegen Homophobie im Sport zu setzen. Sofort waren alle von dieser Idee begeistert. Mit dem Gedanken „Fußball gegen Homophobie“ entstand der Vereinsname SV Die Gaynialen, um ihr wichtiges Vereinsanliegen sichtbar auf dem Rücken zu tragen. Obwohl sie vor dieser Vereinsgründung noch nie als eigenes Team zusammengespielt hatten, gewannen sie ihr erstes Turnier im niederösterreichischen Ternitz. Infolge seien die Spielerinnen von diesem ersten Teamerfolg motiviert gewesen weiterzumachen. Jede Mitspielerin ihres Teams zahlte ein paar Euros, um das Nenngeld zur Teilnahme an weiteren Frauenfußballturnieren zu ermöglichen. Schließlich habe sich die Idee weiterentwickelt, selbst ein Turnier zu organisieren und sie machten ihre Vereinsgründung offiziell. Der Sportverein SV Die Gaynialen ist inzwischen so weit gewachsen, dass neben Fußball auch Volleyball angeboten wird. Vereinsobfrau Andi: „Es ist großartig, was wir auf die Beine gestellt haben“. Der Sportverein SV Die Gaynialen bietet kein wöchentliches Fußballtraining an, aber veranstaltet einmal im Jahr ein viertägiges Trainingslager in Kärnten. Ansonsten fährt das Team zu verschiedenen Turnieren. Sogar bei den EuroGames im Jahr 2019 in Rom spielten sie mit einem großartigen Teamspirit und Zusammenhalt als Hobby-Frauenfußballteam gegen Rassismus, Sexismus und Homophobie. Der Sportverein hat so seine finanziellen Ausgaben auf die Turnierorganisation, einmal im Jahr, begrenzt. Jedes teilnehmende Frauen*Fußballteam zahlt Nenngeld von 50 Euro. Mit dem Nenngeld sowie dem Reinerlös aus dem Verkauf der in Regenbogenfarben dekorierten Getränke und der selbstgemachten Mehlspeisen, die bei ihrer legendären Auktion vor Ort an die Bestbieter*innen versteigert werden, wirtschaftet der Sportverein SV Die Gaynialen kostendeckend.

Aber auch einzelne Männer, vor allem Partner oder gute Freunde der Mitspiel­er­*innen, unterstützen das einmal im Jahr stattfindende Gaynialenturnier tatkräftig. Das Fußballteam des SV Die Gaynialen besteht vereinsintern aus Cis-Frauen, die jedoch in den letzten Jahren sehr wertgeschätzt sind, weil auch trans und non­binäre Mitspieler*innen bei ihren Turnieren dabei sein können. Denn diese Spieler*innen stoßen bei anderen Fußballturnieren immer wieder an die Grenze der Mitspielmöglichkeit. Bei der Integration von trans- und nonbinäre Mitspieler*innen beim SV Die Gaynialenturnier zeigte die Vereinsobfrau der Gaynialen von Anfang an besondere Achtsamkeit und Angebot eines offenen Ohrs. Es habe bisher erfreulicherweise darüber keine Beschwerden gegeben. „Es ist so, wie es sein soll, niemand stört es, natürlich stehen wir allen offen gegenüber“, sagt die Vereinsobfrau, nur Cis-Männer seien beim Gaynialen Frauenfußballturnier als aktive Mitspieler nicht zugelassen. Wieder waren alle Fußballspieler*innen und Zuseher*innen auch bei diesem zehnjährigen SV Die Gaynialenturnier sehr begeistert und dem SV Die Gaynialen, der wieder ein großartiges gayniales Fußballturnier organisiert hat, dankbar. Das kreative Schätzspiel hat das Rahmenprogramm des Turniers wieder bereichert: Die Gesamtzahl von 801 Zentimeter aller aneinandergereihten Fußballschuhe der Vereinsmitglieder des SV Die Gaynialen war zu schätzen. Dazu sorgte auch die Hausmusikband des Sportvereins für gute Stimmung.

In naher Zukunft stehen einige strukturelle und personelle Veränderungen des neuen Vereinsvorstands sowie eine verstärkte Einbeziehung aller Vereinsmitglieder in die Turnierorganisation an. Der Wunsch und die Hoffnung der Vereinsobfrau, im Folgejahr 2023 das Gaynialenturnier fortzusetzen, könne sie aus aktueller Sicht zumindest zu 80 Prozent zusichern.

Weitere Informationen über den Sportverein SV Die Gaynialen sind auch in den Sozialen Medien unter: https://de-de.facebook.com/SV.Die.Gaynialen zu finden. ♕

Von Veronika Reininger

Freiberufliche Journalistin (Foto: © Bettina Frenzel)