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Editorial

Dichotome Problematik

Warum queere Frauen weder schwule noch hetero Dynamiken reproduzieren mĂŒssen

Dass das menschliche Gehirn gern in Schubladen denkt und mit binĂ€ren Kategorien am einfachsten arbeitet, dĂŒrfte allgemein bekannt sein. Eine wiederbelebte, aus einer Mottenkiste hervorgekramte, dichotome Kategorie kursiert in letzter Zeit öfters in lesbischen Kreisen und bedarf einer Problematisierung: Die Kategorien von sogenannten Tops und Bottoms, Begrifflichkeiten, die oft von schwulen MĂ€nnern genutzt werden um zu beschreiben, wer beim Analsex den penetrierenden („top“) und wer den empfangenden („bottom“) Part ĂŒbernimmt. Von jungen, lesbischen Frauen werden die Begriffe neuerdings ĂŒbernommen, und zwar nicht, wie eigentlich naheliegend, ausschließlich im Bezug auf penetrativen Sex (Wer trĂ€gt einen etwaigen Strap-On?), sondern insgesamt auf dominantes bzw. passives Verhalten im Bett . Eine GĂ€stin des Lesben*abends kommentierte diese Entwicklung damit, dass das doch stark an die Frage „Wer ist eigentlich bei euch der Mann in der Beziehung?“, die lesbische Paare immer noch oft genug zu hören bekommen, erinnere.

Und das Schlimmste ist nicht, dass dieser alte Hut immer noch in der Garderobe der Vorurteile hĂ€ngt, sondern dass ihn junge Lesben selbst wieder hervorholen! Wirklich schade dabei ist, dass so nicht nur Strukturen aus Hetero-Beziehungen bzw. die Aufteilung ihres Sexlebens ĂŒbernommen wird, sondern dass diese Aufteilung in Tops und Bottoms, dominant und passiv, mit einer Abwertung der „Bottoms“ einhergeht. Dieses PhĂ€nomen ist auch in der schwulen Community zu beobachten, wo es teilweise toxische ZĂŒge annimmt und MĂ€nner aufgrund ihrer PrĂ€ferenz abgewertet werden. Eine Herabsetzung von passiven Sexpartner*innen geht dabei oft mit einer Feminisierung derselben einher, es werden ihnen also weibliche Eigenschaften zugeschrieben, die auf dem sexistischen Bild von vermeintlich schwachen Frauen beruhen.

Grafik: cai levi

Die binĂ€re Aufteilung hat unter lesbischen Frauen eine lange Tradition: Die VorgĂ€nger*innen von Tops und Bottoms wurden als Butch und Femme bezeichnet bzw. nannten sie sich teils selbst so. TatsĂ€chlich ging es aber bei Butches und Femmes weniger um eine Rollenverteilung beim Sex, sondern vielmehr um Äußerlichkeiten. Indem eine Frau eher mĂ€nnlich aussah und mĂ€nnlich konnotierte Verhaltensweisen und Eigenschaften ausstellte, wĂ€hrend die andere betont weiblich war, rĂŒckten beide zusammen als Paar nĂ€her an das heteronormative Ideal einer binĂ€ren Beziehung. WĂ€hrend eine solche Paar-Performance in den 1950er oder 60er Jahren noch zu mehr Akzeptanz fĂŒhrte, weil sie die Anpassungsbereitschaft der beteiligten Lesben zeigte, scheint sie doch heute mehr als ĂŒberflĂŒssig und einschrĂ€nkend. Denn lesbischer Sex hat eine eigene Dynamik, die sich auch dadurch ergibt, dass Penetration (im Bezug auf Penisse und Dildos) kein selbstverstĂ€nd­licher Teil eines jeden Sex-Erlebnisses ist. Sich in fixe Kategorien als top und bottom einzuordnen nimmt dieser Dynamik so einiges an FlexibilitĂ€t und man kann nur hoffen, dass auch die jungen Lesben, die sich im BinĂ€r-System gut betreut fĂŒhlen, auch bald erkennen, dass ein Ausbruch sehr befriedigend ist 


Von Lisa Hermanns

LesBiFem*referentin HOSI Wien
(Foto: © Marie Dvorzak)