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Kommunikation ist alles

Ob mit Fetischen oder Kinky – hier werden verschiedene erotische Phantasien und WĂŒnsche ausgelebt. Dabei sind gewisse Regeln zu beachten.

Stellen wir uns folgende Situation vor: Zwei Personen kommen zum PaargesprĂ€ch, weil sie mit der gemeinsamen SexualitĂ€t unzufrieden sind. Ich vermeide hier ganz bewusst das Wort Therapie. Denn der Begriff Therapie impliziert, dass es eine krankhafte Situation geben könnte und etwas geheilt werden soll. Doch oft suchen Personen einfach um Rat, weil sie etwas verĂ€ndern möchten. Bei dem PaargesprĂ€ch ging es darum, dass der Sex weniger geworden ist. Die prickelnde Erotik der Anfangszeit ist verflogen, es hat sich Routine eingeschlichen. Im Zuge des GesprĂ€chs werden die Personen eingeladen, sich ĂŒber ihre sexuellen Phantasien und TrĂ€ume auszutauschen. Voraussetzung dafĂŒr ist, dass diese ohne Scham, ohne Druck und ohne Bewertung geĂ€ußert werden. Ob und wie die Phantasien dann umgesetzt werden, kann in einem weiteren Schritt besprochen werden. Manchen Menschen fĂ€llt es schwer, ihre sexuellen WĂŒnsche zu benennen. Sie schĂ€men sich dafĂŒr, weil diese vielleicht ausgefallen oder ungewöhnlich sind. Doch in den Begriffen „ausgefallen“ und „ungewöhnlich“ steckt schon eine Bewertung. Daher ist es hilfreich, dass eine Person empathisch und unvoreingenommen zuhört, wĂ€hrend die andere Person von den sexuellen Phantasien erzĂ€hlt. Und es soll nicht gleich beurteilt werden. Schließlich ist die Welt der SexualitĂ€t bunt und vielfĂ€ltig. Es kann sich möglicherweise lohnen, neue Varianten zu entdecken und auszuprobieren.

Welcher Sex passt zu mir?

In unserer Gesellschaft stellt sich heute weniger die Frage, welche SexualitĂ€t richtig oder falsch ist, sondern es geht darum, herauszufinden, welche Formen der SexualitĂ€t zu einer Person und zur jeweiligen Beziehung passen. Die Varianten und Positionen können sich verĂ€ndern. Bei dem eingangs erwĂ€hnten Paar sagte eine Person, dass sie beispielsweise FĂŒĂŸe erotisch findet und diese verwöhnen möchte. Die zweite Person reagierte ĂŒberrascht und war davon anfangs wenig begeistert. Denn die zweite Person stand lieber auf bestimmte Rollenspiele und hatte einen Fetisch fĂŒr Leder. Anschließend wurde darĂŒber gesprochen, ob und wie die unterschiedlichen WĂŒnsche vielleicht kombiniert werden können. Schließlich kann die sexuelle Vorliebe fĂŒr FĂŒĂŸe viele Möglichkeiten beinhalten, wie beispielsweise eine Fuß-Massage, womit sich die andere Person anfreunden konnte. Auch lĂ€sst sich der Fußfetisch mit bestimmten Kleidungen und Rollenspielen verknĂŒpfen – je kreativer umso besser.

Von Kinky und Vanilla

Ich möchte mich in diesem Artikel nicht nur auf Fetische beschrĂ€nken, sondern vielmehr ĂŒber Kinky schreiben. Dabei handelt es sich um einen Oberbegriff fĂŒr unterschiedlich Varianten der SexualitĂ€t und Erotik. Bei Kinky geht es nicht nur um die sexuelle Erregung durch Objekte (Fetisch), sondern auch um Rollenspiele, um erotische Stimulierungen von Sinnen (das kann beispielsweise mit Fesseln geschehen), um Sadomasochismus und vieles mehr. Vereinfacht ausgedrĂŒckt ist Kinky das Gegenteil von „Vanilla-Sex“. Damit ist einfacher Sex ohne Extras gemeint. Abgeleitet wird der Begriff von der beliebten Speiseeis-Sorte „Vanille“, die als simpel, einfach und pur angesehen wird – sie enthĂ€lt keine ZusĂ€tze und Extras. Ich finde diese Sprache wie „Vanilla“ witzig. Dies zeigt, dass bei der SexualitĂ€t nicht alles so ernst genommen werden muss. Es ist vieles möglich, so kann Vanilla mit Kinky kombiniert werden.

Wichtig dabei ist immer, dass es sich um einvernehmlichen Sex zwischen erwachsenen Personen ohne Missbrauch und ohne AbhĂ€ngigkeitsverhĂ€ltnisse handelt. Ein Rollenspiel ist – wie der Name sagt – ein Spiel. Da es bei Kinky auch um Dominanz und um Schmerzen gehen kann (aber nicht muss), ist der Konsens der beteiligten Personen unerlĂ€sslich. Dazu gehört eine offene und ehrliche Kommunikation. Gerade bei Kinky können heftige und tiefe GefĂŒhle â€“ positive wie negative – hochkommen. Menschen können zu lachen oder zu weinen beginnen. Daher soll bei allen Handlungen die emotionale, psychische und gesundheitliche Sicherheit an erster Stelle stehen. Zu Beginn sollen auch Bereiche wie „Safer Sex“, sexuell ĂŒbertragbare Krankheiten, Alkohol und Drogen geklĂ€rt werden. Denn mit Sucht- und Rauschmittel können schnell Grenzen ĂŒberschritten werden.

Foto: Mo Blau

Über GefĂŒhle sprechen

Bei Kinky geht es um verschiedene Themen wie Dominanz, Unterwerfung, Hingabe oder die Umwandlung von Angst in Lust. Es wird dem Unbewussten, verschiedenen Phantasien und Persönlichkeitsanteilen Raum gegeben. Menschen, die sich darauf einlassen, sollten daher zu Beginn achtsam ihre eigenen GefĂŒhle und Emotionen wahrnehmen und sich mit den Partner*innen darĂŒber austauschen. Wie geht es mir heute? Wozu bin ich bereit? Was brauche ich? Was geht nicht? Bin ich angespannt? Wir sind nicht jeden Tag in der gleichen Stimmung. Daher können die IntensitĂ€t, die Dynamiken und die Grenzen variieren. Dies soll zu Beginn kommuniziert werden. Die Partner*innen können sich ein Stopp-/Codewort ausmachen, wenn wĂ€hrend der sexuellen Handlung etwas zu anstrengend, heftig oder intensiv wird. Lassen Sie sich fĂŒr die Begegnung Zeit. Seien Sie nicht auf bestimmte AblĂ€ufe fixiert, sondern entfalten Sie innerhalb des abgesprochenen Rahmens ihre KreativitĂ€t. Es geht nicht darum, dass rasch ein Ziel, wie ein Orgasmus, erreicht wird. Nicht zu vergessen ist auch die Nachsorge. Hier kann den Partner*innen erzĂ€hlt werden, was ihnen besonders gut gefallen hat und was vielleicht zu Irritationen gefĂŒhrt hat. Oft wird nach dem Sex geschwiegen und genossen. Manche Dinge kommen spĂ€ter hoch. Daher kann es sinnvoll sein, dass der Austausch spĂ€ter erfolgt.

Die IntimitÀt fördern

Auch wenn in der Theorie viele Punkte ĂŒber eine gute Kommunikation nachvollziehbar sind, fĂ€llt die Umsetzung in der Praxis oft schwer. Denn manche Menschen sind in einem Umfeld oder in Familien aufgewachsen, in denen wenig ĂŒber GefĂŒhle gesprochen wurde. Umso schwerer ist es dann, ĂŒber GefĂŒhle im Zusammenhang mit SexualitĂ€t zu reden. Auch besteht bei einigen Menschen Angst, schlafende Hunde zu wecken – was könnten die Partner*innen ĂŒber mich denken, wenn ich von einem Fetisch erzĂ€hle? Wird dann die Romantik zerstört? Doch je lĂ€nger wichtige BedĂŒrfnisse verschwiegen werden, umso schwieriger kann es spĂ€ter werden, diese zu Ă€ußern. Bevor wir ĂŒber GefĂŒhle sprechen können, mĂŒssen wir diese zuerst wahrnehmen. Auch das fĂ€llt nicht immer leicht. Gelingt eine wertschĂ€tzende und respektvolle Kommunikation, kann dies zu mehr IntimitĂ€t zwischen den Personen fĂŒhren.

Flexibel bleiben

Seien Sie auch offen fĂŒr Kompromisse und VerĂ€nderungen. In einigen Beziehungen ist es möglich, dass zeitweise die WĂŒnsche der einen Partner*innen ausgelebt werden und in neuen Situationen auf die Phantasien der anderen Partner*innen eingegangen wird. Es kann aber auch sein, dass jemand einen Fetisch hat, den die Partner*innen ekelig finden. Vielleicht kann der Kompromiss dann so aussehen, dass die Partner*innen diesen Fetisch mit anderen Personen genießen.

Im Kontext von Kinky gibt es Menschen, die sich dafĂŒr schĂ€men, dass sie auf gewisse Varianten der SexualitĂ€t stehen. Dies ist verstĂ€ndlich, denn Kinky wurde lange Zeit pathologisiert und als abartig hingestellt, was zurĂŒckzuweisen ist. Kinky ist vielschichtig und sagt nichts ĂŒber die Persönlichkeit eines Menschen aus. Seien Sie grundsĂ€tzlich flexibel. Auch innerhalb eines Fetisches kann es viele Varianten geben. Möglicherweise möchten dominante Partner*innen auch einmal gehalten werden. Und zum Schluss: Bleiben Sie locker und entspannt. Nehmen Sie Fetische und Kinky auch mit Humor. Denn hier handelt es sich um Spiele, die Spaß machen sollen.

Von Christian Höller

Christian Höller ist Psychotherapeut und hat eine Praxis in Wien.