Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung in Österreich
Stell dir vor, du bist auf der Suche nach einer neuen Wohnung in Österreich. Nach Wochen voller Hoffnung entdeckst du genau die richtige, reichst alle Unterlagen ein, erfüllst sämtliche Kriterien und bekommst trotzdem eine Absage. Nicht, weil etwas an deiner Bewerbung nicht passt, sondern einzig und allein, weil du lesbisch* bist. Für viele klingt das nach einem klaren Fall von Diskriminierung. Aber in Österreich bedeutet das: Die Wohnung bleibt verschlossen, und du hast rechtlich kaum Möglichkeiten.
Gerade erst hat ein Fall in Kärnten das wieder schmerzlich deutlich gemacht. Zwei Frauen wurde ein Mietvertrag verweigert. Und zwar offen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung. Unsere Obfrau Ann-Sophie Otte hat es in einer Presseaussendung auf den Punkt gebracht: „Niemand würde eine so offene Diskriminierung von ethnischen Minderheiten oder Menschen mit Behinderungen akzeptieren, und genau deshalb werden sie vom Gesetz bereits geschützt.“ Doch das Gleiche gilt in Österreich nicht für alle queeren Menschen, ein Umstand, der kaum zu begreifen ist.
Das österreichische Gleichbehandlungsgesetz schützt im Arbeitsleben vor Diskriminierung. Beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen, und dazu zählt eben auch Wohnen, besteht weiterhin eine gravierende Lücke. Vermieter*innen können eine Wohnung aufgrund der sexuellen Orientierung verweigern und die Gesetzeslage gibt ihnen keinen Anlass, diese Praxis zu überdenken.
Für viele von uns heißt das, nie wirklich sicher zu sein. Sei es beim Wohnungsbesichtigen, im Lokal oder im Taxi. Es geht um mehr als Komfort, es geht um elementare Sicherheit und das Recht, überhaupt ein Zuhause zu haben. Die ständige Bedrohung, dass die eigene Identität zu plötzlicher Ablehnung führen kann, nagt am Selbstvertrauen und raubt die Freiheit, offen zu leben.
Wir fordern deshalb seit langem einen umfassenden Diskriminierungsschutz, der auch den privaten Bereich und den Zugang zu Gütern und Dienstleistungen einschließt. Im Positionspapier #NAPjetzt verlangen 30 LGBTIQA-Organisationen aus Österreich neben einer Gesetzesreform auch explizite Konsequenzen für Verstöße, konkrete Klagerechte für NGOs und verlässliche Unterstützung für die Betroffenen. Die Notwendigkeit des umfassenden Diskriminierungsschutzes kann nicht bestritten werden. Es ist die Regierung, die handeln muss, um das Gleichbehandlungsgesetz endlich zu reformieren und damit alle betroffenen Menschen zu schützen. Und nicht diejenigen, die diskriminieren.
Noch immer hält Österreich an einem zweigeteilten System fest: umfassender Schutz im Beruf, kaum Schutz im privaten Leben. Der Staat signalisiert damit stillschweigend, dass Benachteiligung im Alltag geduldet wird. Das ist nicht nur widersprüchlich, sondern auch gefährlich. Ein umfassender Schutz würde nicht nur Sicherheit geben, sondern auch deutlich machen, dass Diskriminierung an keinem Ort und in keinem Bereich toleriert wird.
Wir möchten nicht überlegen müssen, ob wir bei einer Wohnungsbesichtigung unsere Partner*innen verschweigen sollten. Wir wollen nicht vor einer verschlossenen Tür stehen und uns fragen, ob unsere queere Lebensweise der Grund für die Ablehnung ist. Wir wollen uns nicht jedes Mal zwischen Offenheit und Sicherheit entscheiden müssen. Diese Gesetzeslücke ist kein juristischer Nebenschauplatz, sie öffnet die Tür für alltägliche Ausgrenzung. Sie muss geschlossen werden. Nicht irgendwann, sondern jetzt.
Chelsea
LesBiFem Team
HOSI Wien
■ Aus lesbischer Sicht
Die Kolumne erschien erstmals in den Lambda Nachrichten #3/1989, geschrieben von Waltraud Riegler, jahrelange Aktivistin und HOSI Obfrau.

Nach einem Jahr übernahm Helga Pankratz, Aktivistin und unter anderem Mitgründerin der HOSI Wien Lesbengruppe und Jugendgruppe, die Kolumne für mehr als 20 Jahre bis Ende 2013, kurz vor ihrem zu frühen Tod. Ihre Krebserkrankung thematisierte sie auch in ihren Texten. Ausgewählte Kolumnen erschienen im Buch „Aus lesbischer Sicht: Glossen und Kommentare zum Zeitgeschehen“, das sich in der Ruth-Maier-Bibliothek der HOSI Wien finden lässt.

In der jetzigen Iteration der Lambda wird die Kolumne von wechselnden Autor*innen unseres LesBiFem-Teams bespielt.
Alle Lambda (Nachrichten), und damit auch alle Kolumnen, finden sich als PDF in unserem Archiv.