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Jung und queer am Land?

Du bist nicht alleine.

In einer Großstadt wie Wien sieht man häufig gelebte Queerness und alternative Lebensweisen. Ein Pride-Anstecker hier, ein händchenhaltendes queeres Pärchen da und ein Regenbogen-Fußgängerüberweg dort. Gerade wenn man aus einer eher ländlichen Gegend kommt, ist diese Sichtbarkeit wie ein erleichternder frischer Wind; umso schwerer fällt es aber, zurück zuhause wieder akzeptieren zu müssen, dass Queerness dort nicht so offen gezeigt wird. Von nonchalanten Anfeindungen am Dorffest bis hin zu Nachrufen und Kommentaren von Fremden, wenn man irgendwo an der eigenen Person einen sichtbaren Regenbogen trägt, ist dort queerfeindliches Verhalten leider zur Gewohnheit geworden. Nur sehr selten sieht man irgendwo mal ein gleichgeschlechtliches Paar, das auch auf offener Straße deren Liebe nicht versteckt; und als im städtischen Einkaufszentrum auf einmal Pride-Merchandise verkauft wurde, war es schon fast eine kleine Sensation.

Wenn man nun als junger queerer Mensch in einer solchen Gegend aufwächst, kann man leicht den Eindruck bekommen, dass man damit alleine ist. Wenn man scheinbar als einzige Person im Ort anders liebt oder lebt, was sagt das dann über einen selbst aus? Ist man „falsch“? Wenn über Andersliebende und trans* Personen im eigenen Umfeld nur hinter vorgehaltener Hand gesprochen wird, als würde man über etwas Verbotenes oder Seltsames sprechen, muss mit einem selbst doch auch etwas nicht stimmen, oder? Gerade solche Gedanken drängen sich dann oftmals auf und feuern die von vielen ohnehin schon internalisierte Queerfeindlichkeit an, was nicht selten zu psychischer Belastung führt. Diese Belastung erhöht sich dann nochmal drastisch, wenn es selbst im Familienkreis an Akzeptanz fehlt.

Diese Umstände machen soziale Medien für junge Betroffene zu einem wichtigen Tool, um sich zu vernetzen, auszutauschen und um zu realisieren, dass sie eben nicht alleine damit sind – dass sie nicht „falsch“ sind, nur weil sie „anders“ sind. TikTok und Instagram gehören unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen wohl mitunter zu den beliebtesten sozialen Onlinemedien – die Präsenz queerer Influencer*innen und nicht zuletzt natürlich auch von queeren Organisationen und Interessenvertretungen leistet dabei einen essentiellen Beitrag zur öffentlichen und niederschwellig verfügbaren Sichtbarkeit und Aufklärung. Von queeren Menschen für queere Menschen gibt es Tipps, Informationen und Erfahrungsberichte zu diversen Themen wie etwa Passing, Make-up, Zugang zu geschlechtsangleichender Medizin, Namensänderung, Austausch über bevorzugte Marken von transgenderspezifischer Kleidung, queerer Geschichte, Community Spaces, Pronomen, Datingerfahrungen, dem politischen Klima rund um LGBTQIA*-Themen und vielem mehr.

Außerdem bilden soziale Medien nicht nur die eigenen gelebten Erfahrungen ab, sondern erweitern auch den Horizont der Nutzenden, indem auch noch andere Lebensweisen näher beleuchtet und erklärt werden. Die Interaktion mit Anderen in Kommentarspalten macht das Nutzungserlebnis dabei noch nahbarer.

Nicht zuletzt ist zu bedenken, dass bei geringer queerer Sichtbarkeit auch die PartnerInnen*-Suche am Land erschwert ist. Community Spaces sind dort meistens sehr rar gesät und für Menschen, die auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen oder in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, oft nur schwer erreichbar. Ohne diese ist es aber teils schwierig auf andere Gleichgesinnte zu treffen. Hilfreich können dabei Dating Apps sein – auch wenn es bei diesen viele problematische Aspekte gibt, kann nicht verneint werden, dass gerade queere Menschen deutlich von diesen profitieren können.

Auch wenn eine Onlinecommunity queere Sichtbarkeit im persönlichen realen Leben nicht ersetzt, ist es dennoch schön und wichtig, wenn sich jemand dadurch auch nur ein bisschen weniger alleine und etwas mehr gesehen und akzeptiert fühlt.

Von Chris

Gesundheits- und KrankenpflegerIn*; arbeitet in der Gesundheitsberatung