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Queer figures; vier Iterationen

„Heartstopper“ und „Love Simon“ sind heutzutage keine Ausnahmen mehr: sie sind die Regel. Überall verbergen sich vielerlei queere Filmcharaktere – einige mehr schlecht als recht geschrieben. Was früher als Skandal gesehen wurde, ist für uns Normalität geworden. Natürlich sind wir immer noch auf dem Weg der stetigen Besserung, doch um zu verstehen, was werden kann, müssen wir verstehen, was einmal war.

Hays-Code und Leichen

Es darf kein Bild erstellt werden, das die moralischen Standards derjenigen, die es sehen, senkt.

Dies ist nur eine von vielen Regeln und Verboten, die der Hays-Code mit sich gebracht hat. Aufgrund mannigfaltiger Skandale von Schauspielern, in denen es hieß, die Schauspieler hätten ihre Moralität verloren und würden entgegen traditionellen Werten leben, kam es zur Aufruhr und zur starken Kritik an Hollywood, die vor allem von der römisch-katholischen Kirche ausging. Es sollte zum Boykott kommen, was eine Wirtschaftskrise nach sich ziehen könnte.

Daraufhin führte Will H. Hays 1934 den Hays-Code ein, durch den Hollywood wieder einen Aufschwung erleben sollte. Dieser Code sorgte für die Instandhaltung der Moral in den Filmen. Demnach sollten Schimpfwörter und etwaige Beleidigungen keinen Platz mehr auf der Leinwand finden. Gewalt, Kriminalität, Substanzmissbrauch, Nacktheit und Rassenmischung wurden ebenfalls durch den Code abgehalten, je gedreht zu werden. Homosexualität als solches wurde nicht erwähnt, jedoch fiel das früher in den Raster der sexuellen Perversion, die bei Hays vorkam. Sex durfte ebenfalls nur sehr vage angedeutet werden und zu leidenschaftliche Aktionen verbot der Hays-Code von Grund auf.

Obwohl der Hays-Code eher als eine Orientierungshilfe gedacht war, als ein strenges Gesetz, wurden Filme, die unpassende Szenen beinhalteten, von Studios und weiterführenden Produktionen blockiert. Kinos – vor allem in konservativeren Gegenden der USA – konnten sich offen weigern, diese Filme abzuspielen; die Kirche warnte ausdrücklich vor Medien, die unmoralische Werte widerspiegelten.

Um die konservative Bevölkerung vom Gewinn der Filme nicht auszuschließen und dennoch die Freiheit haben zu können, Geschichten zu erzählen, die dieser Zensur nicht unterliegen, haben einige Regisseure versucht den Rahmen jener auszureizen. Sie haben geschaut, wie weit das Studio erlauben würde, ehe es ihnen zu queer wurde. Ebenjenes hat Alfred Hitchcock in „Cocktail für eine Leiche“ versucht, dessen Protagonisten von zwei Männern inspiriert wurden, die in eine intime Beziehung verwickelt waren. Es wurden einige Worte vom Skript gestrichen, die zu schwul erschienen, doch die wahre Kunst der Umsetzung non-verbaler Zeichen lag bei den Schauspielern. Jene standen immer sehr nahe beieinander und sprachen vom begangenen Mord, wie von einer Liebesnacht. Die Charaktere lebten zusammen und teilten sich ein Bett. Als der Film abgedreht war, begannen sich einige der Beteiligten – unter anderem auch das Studio – davon zu entfernen, da er zu latent schwul erschien und die Beurteilung des Films ergab, dass er nur einer höheren Altersklasse gezeigt werden dürfe. Einige Städte, wie Memphis und Seattle, hatten davon abgesehen diesen Film auszustrahlen und Italien und Frankreich schränkten ihn landesweit ein.

1967 wurde der Hays-Code letztendlich abgeschafft, was eine neue – eine freiere – TV-Ära einläutete, oder …?

Unendliche Weiten

„Star Trek war ein Versuch, der zeigt, dass die Menschheit erst dann Reife und Weisheit erringen wird, wenn sie beginnt unterschiedliche Meinungen und die Unterschiede vieler Lebensrealitäten nicht bloß zu akzeptieren, sondern darin eine besondere Freude zu finden.“

– Gene Roddenberry

Mit genau diesen Gedanken – den Gedanken, dass die Stärke der Menschheit in ihrer Vielfältigkeit liegt – schuf Gene Roddenberry 1966 das Fundament des Star Trek Universums: „Raumschiff Enterprise“. Jene Vielfalt wurde auf die Besatzung des Raumschiffs übertragen, die im Gegensatz zu anderen Produktionen dieser Zeit diverse Schauspieler*innen, insbesondere eine schwarze Frau in einer respektierten, wiederkehrenden Rolle, einstellten. Auch vor einer positiven Darstellung homosexueller Charaktere schreckte Roddenberry nicht zurück, doch da die Serie zuvor bereits einen Skandal erlebt hatte, der durch einen Kuss zwischen zwei Ethnien hervorgerufen wurde, was trotz des im Jahre zuvor abgesetzten Verbots noch für große Empörung sorgte, entschied man sich dagegen.

Aufgrund fehlender queerer Elemente begannen einige Fans diese selbstständig einzufügen. Sie verfassten kleine Geschichten, die innerhalb der Fankreise verbreitet wurden. Das prominenteste Duo, über das geschrieben wurde, bestand aus Captain Kirk und Mr. Spock. Die Slash-fiction wurde geboren!

Jene wurde dann mit der Zeit mit dem Wort ‚Relation-shipping‘ ersetzt, das heutzutage nur mehr ‚Shipping‘ genannt wird.

Die wilden 70er!

Trotz der Beseitigung des Hays-Codes und des Kampfes einiger Studios für die Entdämonisierung queerer Charaktere veränderten sich die Werte und Vorstellungen der Gesellschaft nur schleichend, doch stetig.

Ein großer Vorreiter dieser Bewegung war „Damals im Sommer“ von Lamont Johnson, der 1972 in die Kinos kam. Er handelt von einem schwulen Paar, das ein Kind erzieht. Dieser Film war für seine Zeit ein bahnbrechendes Beispiel, wie einige inspirierte Leute es schafften, positive homosexuelle Charaktere auf die Leinwand zu bekommen. Die ersten Probleme waren, ein Produktionsnetzwerk und vor allem Schauspieler zu finden, die diese heiklen Rollen annahmen, doch es boten sich schnell geeignete an. Das Netzwerk jedoch war ein anderes Thema: Sie diskutierten miteinander und veränderten das Skript, das nun keinerlei physischen Kontakt zwischen dem Paar zuließ. Am Ende mussten sich die Schreiber zufriedengeben, denn sonst hätte das Projekt gar nicht erst umgesetzt werden können.

Als der Film in den meisten (nicht in allen) Kinos der USA ausgestrahlt wurde, war die Rezeption ganz zur Verblüffung des Produktionsteams größtenteils positiv. Es gab einige negative Zeitungsartikel, die Homosexuelle als ‘kranke Tiere‘ betitelten, doch es war eine Bittersüße, die den Film nicht hat floppen lassen: der Mix aus der positiven Abbildung schwuler Charaktere gepaart mit einem negativen Ende.

„Damals im Sommer“ war ein Pionier, der gezeigt hat, dass die Zeit reif ist, dieses Thema positiv darzustellen. Nicht allzu lange später gab es weitere positive Auftritte schwuler Charaktere im TV, wie in „Barney Miller“ und in „M*A*S*H“, in dem ein schwuler Charakter vor Anfeindungen sogar erbittert verteidigt wurde.

Ich bin nur ein süßer Transvestit! – Dr. Frank N. Furter

Die „Rocky Horror Picture Show“ ist ein weiteres Phänomen aus der früheren Zeit, das bis heute tief in der queeren Kultur verankert ist. Der Film beginnt mit einer Subversion: auf der einen Seite ist die typisch amerikanische Vorstadt und auf der anderen das Unbekannte in der Form eines großen unheimlichen Anwesens. Dort erleben die zwei Protagonisten eine unvergessliche Nacht, in der sie die Fesseln der Gesellschaft fallen lassen und sich entdecken. Es ist ein Film über das Auskosten extatischer Freude und sexueller Freiheit, aber auch über die Gefahren des Überdrusses.

Der Film selbst ist zunächst nicht gut angekommen und er stand auch zeitweise unter einem schlechten Stern, bevor er gedreht wurde. Doch nach der ersten schlechten Rezeption begann man, ihn um Mitternacht auszustrahlen, was enorm geholfen hat. Eine riesige queere Szene bildete sich um die „Rocky Horror Picture Show“, die in der Nacht in Kostüm und Makeup Schlange stand, um sich diesen Film anzusehen. Vor allem die Androgynie, das Ausbrechen aus rigiden gesellschaftlichen Normen und die ansteckende Freude, wenn man dies tut, sprach die queeren Menschen an.

Von „Cocktail für eine Leiche“ über „Damals im Sommer“ bis zur „Rocky Horror Picture Show“ sind insgesamt 27 Jahre Filmgeschichte geschrieben worden. Wie wird da wohl unsere rosige Zukunft aussehen?

Text von Edda Eggs

Von Gastautor*in

Unter diesem Tag versammeln sich verschiedene Gastautor*innen der Lambda.