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Diversitätsmanagement statt Rainbow-Washing

Menschen sind vielfältig – vielfältige Menschen machen Arbeit vielfältig – vielfältige Arbeitende machen Unternehmen vielfältig. ‚Vielfalt‘ kann als Diversität definiert werden und in sieben Hauptthemen zusammengefasst werden, die sogenannten ‚Kern-Dimensionen‘: Alter, körperliche und geistige Fähigkeiten, ethnische Herkunft und Nationalität, Religion und Weltanschauung, Geschlecht und geschlechtliche Identität, sexuelle Orientierung und soziale Herkunft. In Unternehmen bzw. Organisationen ist das sogenannte ‚Diversitätsmanagement‘ Teil des Personalwesens und hat zur Aufgabe, die soziale, kulturelle und ethnische Vielfalt der Mitarbeiter*innen gezielt wahrzunehmen und zu nutzen. Ziel ist es, den Erfolg der Organisation zu steigern und Unternehmensziele besser zu erreichen. Um Diversitätsmanagement in Unternehmen umzusetzen, braucht es allerdings viel Geduld und einen langen Atem: Denn wie so oft, wenn es um marginalisierte Gruppen (Randgruppen der Gesellschaft) geht, werden diese Themen hinten angereiht.

Warum Vielfalt?

Die Welt im gesamten und die Weltwirtschaft verändern sich immer schneller, Unternehmen stehen laufend vor neuen Herausforderungen. Sich mit dem Thema Diversitätsmanagement auseinanderzusetzen oder auseinanderzusetzen zu müssen, kann verschiedene Gründe haben: die Globalisierung, der Produktivitäts- und Wettbewerbsdruck, schwierigere Differenzierung am Markt und Innovationsdruck, Unternehmensethik und Transparenz sowie vor allem auch das Image des Unternehmens. Anhand der Kerndimensionen betrachtet, könnte beispielsweise durch die Globalisierung das Thema ethnische Zugehörigkeit ein ausschlaggebender Punkt sein, sich mit Diversität zu beschäftigen. Zugewanderte Menschen bzw. Menschen mit Migrationshintergrund können alle möglichen Arten von Fachkompetenzen oder Sprachkenntnissen mitbringen, welche in Unternehmen wertvolle Ressourcen in die Unternehmensentwicklung einbringen können. Der Anteil der Bevölkerung von Menschen mit Migrationshintergrund in Österreich beläuft sich laut aktuellem Stand auf 2,5 Millionen – ein beträchtlicher Anteil der Gesamtbevölkerung und ein wichtiges Arbeitskräftepotenzial für den österreichischen Arbeitsmarkt.

Bei der Kerndimension Alter bedingt beispielsweise der demographische Wandel (geringere Geburtenraten, höhere Lebenserwartung) das Diversitätsmanagement. Jede*r dritte Langzeitarbeitslose ist über 50 Jahre alt – eine große Chance für Unternehmen, Menschen mit umfassender Arbeitserfahrung einzustellen, auch wenn diese eventuell höhere Personalkosten verursachen.

Das Thema Behinderung wurde in der Arbeitswelt lange verdrängt bzw. sollten mit der Errichtung von ‚Behindertenwerkstätten‘ Menschen mit Behinderung in geschütztem Setting kleine Arbeiten verrichten können. Allerdings entstand dadurch gesellschaftliche Exklusion und in manchen Fällen sogar Ausbeutung der Beschäftigten. Heutzutage werden die berufliche Integration und Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen am Arbeitsmarkt gefördert; dennoch gibt es oft immer noch sowohl bauliche als auch soziale Barrieren. Etwa 10 % der Menschen in Österreich leben mit einer registrierten Behinderung, was ebenfalls einen gar nicht so geringen Teil der Bevölkerung darstellt.

Die Kerndimension Geschlecht legt einen großen Fokus auf die Gleichstellung von (cis) Frauen, denn Daten zeigen, dass Frauen so gut ausgebildet und berufstätig wie nie zuvor sind, aber dennoch für die gleiche Arbeit um bis zu 18 Prozent weniger als (cis) Männer verdienen (Gender-Pay-Gap). Der Anteil von Frauen in Führungspositionen der großen Wirtschaftsunternehmen liegt außerdem immer noch unter 10 Prozent. Weiters behandelt die Kerndimension Geschlecht auch Variationen in der geschlechtlichen Identität, wie zum Beispiel die Integration und Akzeptanz von trans und nichtbinären Menschen im Arbeitsalltag.

Im Zusammenhang mit der Kerndimension sexuelle Orientierung denken viele Menschen, dass diese nichts am Arbeitsplatz verloren hat. Tatsächlich ist es aber so, dass das Privatleben immer wieder in das Berufsleben einfließt und regelmäßig über Themen gesprochen wird, bei denen eine sexuelle Orientierung offenbart wird: Beispiel Wochenendpläne. Der männliche Kollege berichtet über den Ausflug mit seiner Frau, worauf hin die weibliche Kollegin über den Museumsbesuch mit ihrer Partnerin spricht. In dieser Situation kann die Akzeptanz von vielfältigen Lebensformen entscheidend dafür sein, wie das weitere Arbeitsklima verläuft. Sollte sich der Kollege negativ oder mit Ablehnung äußern, könnte es zu immer wiederkehrenden Konflikten bis hin zum Arbeitsplatzwechsel der Kollegin kommen. In solchen und ähnlichen Fällen ist ein weltoffenes und akzeptierendes Arbeitsklima ein wichtiges Ziel für Unternehmen.

Vielfalt ja – aber wie?

Diversitätsmanagement ist ein Hilfswerkzeug, um Vielfalt in Unternehmen zu fördern. Förderung heißt allerdings auch Veränderung, und um beispielsweise attraktivere Arbeitsplätze zu bewirken, ist es wichtig, relevante Maßnahmen zu setzen. Die Basisprozesse bei der Einführung von Diversitätsmanagement können wie folgt ablaufen: Zu Beginn braucht es eine Unternehmensdiagnose: welche Diversitätsthemen sind für das Unternehmen primär relevant (z.B. Alter in Pflegeheimen)? Wie steht es um das Diversitäts-Verständnis? Welche strategischen (langfristigen) Ziele möchte sich das Unternehmen setzen? Danach folgt eine Ist-Analyse: was ist der aktuelle Stand zur Umsetzung von Diversitätsthemen? Gibt es bereits laufende Maßnahmen oder Strategien? Weiters folgt eine Ausarbeitung der operativen (kurzfristigen) Ziele und der Umsetzungsstrategie – wie können die geplanten Ziele erreicht werden? Schlussendlich folgt die Umsetzung der geplanten Maßnahmen anhand der ausgearbeiteten Strategie. Echtes Diversitätsmanagement unterscheidet sich von Rainbow-Washing somit darin, dass Akzeptanz von Vielfalt in der Unternehmenskultur wirklich gelebt und nicht nur gepredigt wird.

Im Jahr 2008 wurde vom österreichische Normungsinstitut die ÖNORM S 2501 veröffentlicht, welche ein Leitfaden zum Thema Diversitätsmanagement für Organisationen, Unternehmen und Beratende ist und weltweit den ersten Standard zu Diversitätsmanagement abbildet. In diesem Leitfaden sind die Kerndimensionen beschrieben und er gibt eine Art Anleitung auf dem Weg zu Antidiskriminierung und Vielfaltsförderung. Außerdem dient er dazu, Unternehmen aufzuzeigen, dass es mit der Förderung einzelner Kerndimensionen nicht getan ist, denn Diversitätsmanagement zielt darauf ab, alle Bereiche der Vielfalt zu behandeln. Da beispielsweise die Auseinandersetzung mit sexueller Orientierung am Arbeitsplatz immer noch ein recht verpöntes Thema ist, schafft richtig angewandtes Diversitätsmanagement gerade im Bereich queerer Themen einen Weg zur besseren Sichtbarkeit und Akzeptanz.

Unternehmen und Organisationen können sich zu dieser ÖNORM zertifizieren lassen, was bedeutet, dass diese ihre Maßnahmen auf tatsächliche Wirkung und Relevanz prüfen lassen können. Der Erhalt eines solchen Zertifikates kann daher ein Anhaltspunkt sein, in welchen Unternehmen tatsächliche Diversitätsförderung und nicht nur Rainbow-Washing betrieben wird. Für die Unternehmen selbst ist es eine Win-Win Situation: Die Förderung der Vielfalt innerhalb des Unternehmens kann einen positiven Einfluss auf Mitarbeitenden-Fluktuation und dem Erhalt von Fachkompetenzen bzw. Humankapital haben, gleichzeitig kann das Zertifikat als positives Image attraktivere Arbeitsplätze schaffen. Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass angewandtes Diversitätsmanagement in der Arbeitswelt immer wichtiger wird und Unternehmen von Förderung der Vielfalt zweifellos profitieren können.

Von Carina Kapeller

arbeitet im Gesundheitswesen