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Zwischen Regenbogen und Realität

Warum wir bei der Vienna Pride genau hinschauen müssen

Wenn sich jedes Jahr im Juni der Regenbogen über Wiens Straßen spannt und die Vienna Pride die Stadt in bunte Farben unserer Sichtbarkeit taucht, steht eines fest: Die LGBTIQ-Community ist laut, stolz und präsent. Doch während sich queere Menschen den öffentlichen Raum zurückerobern, taucht jedes Jahr ein Phänomen auf, das mittlerweile zum fixen Bestandteil der Debatte rund um Pride geworden ist: Pinkwashing.

Was ist Pinkwashing?

Pinkwashing (auch Rainbow-Washing genannt) beschreibt das strategische Zurschaustellen von LGBTIQ-freundlicher Symbolik, meist durch Unternehmen, Institutionen oder Staaten, ohne echte Unterstützung oder gelebte Werte im Hintergrund. Es geht also um mehr als einen Regenbogen im Firmenlogo. Pinkwashing funktioniert dort, wo mit dem Anschein von Solidarität wirtschaftliches oder politisches Kapital geschlagen werden soll, während queere Menschen in Wirklichkeit ignoriert, benachteiligt oder sogar unterdrückt werden.

Gerade in der Pride-Saison ist Pinkwashing allgegenwärtig. Unternehmen färben ihre Logos ein, posten Statements auf Social Media und sind mit auffälligen Trucks bei der Parade vertreten. Doch was steckt dahinter? Unterstützen diese Firmen queere Mitarbeitende ganzjährig? Spenden sie an LGBTIQ-Organisationen? Oder ist es nur ein kurzer Marketingeffekt, bei dem Diversität zur Kulisse wird?

Vienna Pride als Bühne – aber für wen?

Die Vienna Pride ist eine der bedeutendsten queeren Veranstaltungen im deutschsprachigen Raum. Sie ist Demonstration, Politikum, Kulturereignis und Safe Space zugleich. Über die Jahre ist die Regenbogenparade massiv gewachsen und zieht damit auch Firmen und Sponsoren an, die sich mit dem positiven Image der Community schmücken wollen.

Grundsätzlich ist es erfreulich, wenn Unternehmen queere Anliegen sichtbar unterstützen. Schließlich trägt Sichtbarkeit zur Normalisierung und Akzeptanz bei. Problematisch wird es allerdings dann, wenn diese Beteiligung rein kosmetisch bleibt. Wenn z. B. Firmen in Ländern mit queeren Pride-Paraden auftreten, während sie gleichzeitig in anderen Märkten anti-LGBTIQ-Gesetze mittragen oder mit reaktionären Politiker:innen zusammenarbeiten, dann wird aus Unterstützung Zynismus.

Die Verantwortung der Veranstalter:innen

Gerade deshalb kommt den Veranstalter:innen der Vienna Pride und Regenbogenparade eine große Verantwortung zu. Die HOSI Wien als Organisatorin der Regenbogenparade und das Organisationsteam der Vienna Pride haben in den letzten Jahren wichtige Schritte unternommen, um dieser Verantwortung gerecht zu werden. Dazu gehört insbesondere die kritische Prüfung von Unternehmensbeteiligungen, sogenannte Screenings, bevor Unternehmen als Partner:innen der Veranstaltungen auftreten dürfen.

Diese Screenings sind kein bloßes Abhaken einer Checkliste. Es geht darum, Firmen im Hinblick auf ihre tatsächliche Haltung, interne Unternehmenspolitik und externe Aktivitäten zu prüfen. Hat das Unternehmen interne LGBTIQ-Netzwerke? Gibt es Diversity-Trainings? Wie reagiert das Management auf queerfeindliche Vorfälle am Arbeitsplatz? Unterstützt das Unternehmen queere Anliegen auch außerhalb des Pride-Monats?

Pride ist kein Laufsteg für Corporate Marketing, sondern ein politisches Statement. Wer dabei sein will, muss mehr leisten als einen Regenbogen auf der Website. Nur wer glaubwürdig ist, darf auch auf den Straßen Wiens mitmarschieren und das ist gut so.

Sichtbarkeit mit Substanz – oder nur kurzfristiger Glanz?

In einer Zeit, in der queere Rechte in vielen Teilen der Welt rückgebaut werden, ist es wichtiger denn je, dass Pride-Veranstaltungen nicht zur bloßen Party verkommen. Sie müssen laut, unbequem und politisch bleiben und sie müssen klar Position beziehen. Das bedeutet auch, dass nicht jede Firma willkommen ist. Und es bedeutet, dass Community-Mitglieder, NGOs und Aktivist:innen ein wachsames Auge behalten müssen.

Denn Sichtbarkeit ist nur dann wertvoll, wenn sie mit Substanz einhergeht. Wenn Firmen sich ernsthaft für Gleichstellung einsetzen, queerfeindliche Strukturen abbauen und aktiv zur Verbesserung der Lebensrealität queerer Menschen beitragen, dann sind sie als Partner:innen willkommen. Wenn nicht, bleibt der Regenbogen nur eine Marketing-Fassade.

Vom Bündnis zur Selbstdarstellung – das Problem der Trittbrettfahrer

Ein weiteres Problem tritt immer häufiger auf: Unternehmen oder Partner, die einst mit Unterstützung der lokalen Pride-Bewegung und Community-Sichtbarkeit aufbauen konnten, sich dann aber nach einigen Jahren davon distanzieren und behaupten, es nun „selbst machen“ zu können. Diese Trittbrettfahrer profitieren vom jahrelangen Engagement der Community, nutzen den aufgebauten Imagewert und entziehen sich zugleich jeglicher Verantwortung gegenüber der Bewegung, die ihnen Sichtbarkeit überhaupt erst ermöglicht hat.

Es ist ein Akt der Aneignung: Die mühsam errungene Bühne wird vereinnahmt, während der Ursprung der Solidarität ignoriert wird. Und am Ende steht oft der Versuch, sich vom politischen Kern der Pride zu lösen, zugunsten eines gefälligeren, „markttauglichen“ Regenbogens.

Wer Pride ehrlich unterstützen will, kommt an der Community nicht vorbei

Wer eine lokale Pride-Bewegung ehrlich unterstützen will, kommt nicht drum herum, mit der lokalen Organisation zusammenzuarbeiten, welche die Demonstration und Pride organisiert. Das heißt: auf Augenhöhe. Mit Respekt vor der Geschichte, den Ressourcen und der Expertise der Aktivist:innen vor Ort.

Denn Pride ist keine Dienstleistung, die man einfach buchen oder umgestalten kann. Sie ist das Ergebnis jahrzehntelanger Kämpfe. Wer sich ihr anschließt, muss auch die politische Verantwortung mittragen und bereit sein, nicht nur Sichtbarkeit, sondern auch Veränderung zu fördern.

Fazit: Pride bleibt politisch

Die Vienna Pride ist eine Veranstaltung mit vielen Side Events, aber sie ist vor allem ein Aufruf. Ein Aufruf zur Gleichstellung, zur Anerkennung und zum gemeinsamen Kampf gegen Diskriminierung. Unternehmen, die Teil dieses Kampfes sein wollen, sind eingeladen, aber nicht bedingungslos. Denn wer mitmarschieren will, muss mehr bieten als Konfetti und Branding.

Doch auch die Community ist gefragt, weiter laut zu sein, kritisch zu bleiben und zu zeigen: Pride ist mehr als ein Regenbogen, es ist eine Haltung. Eine Haltung, die nicht verkauft, sondern verteidigt wird.

Von Katharina Kacerovsky-Strobl

Lambda Autorin, Vienna Pride/Stonewall (Foto: © Martin Darling)