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Diskriminierung durch Formulare

Fehlende Anerkennung von geschlechtlicher Vielfalt? So können Betroffene sich wehren und Unternehmen ihre Kommunikation diskriminierungsfrei gestalten.

Zahlreiche Unternehmen nutzen den Pride-Monat, um sich als LGBTQIA+-freundlich zu positionieren. Dieses Engagement ist wichtig. Doch gerade im Alltag zeigt sich, dass noch viel zu tun ist, um dieses Bekenntnis auch in der Praxis konsequent umzusetzen. Ein Beispiel dafür ist die fehlende Berücksichtigung geschlechtlicher Vielfalt in der Kommunikation mit Kund*innen.

Ob bei Online-Bestellungen oder der Anmeldung zu Dienstleistungen: In Formularen verlangen Unternehmen häufig die Angabe von Anrede oder Geschlecht. Dies kann für Kund*innen zu einer diskriminierenden Erfahrung werden, denn häufig stehen nur die binären Optionen „Herr“ oder „Frau“ bzw. „männlich“ oder „weiblich“ zur Auswahl. Für nicht-binäre und intergeschlechtliche Personen bedeutet das, entweder eine falsche Angabe über das Geschlecht machen zu müssen oder auf bestimmte Angebote und Services zu verzichten. Die fehlende Berücksichtigung geschlechtlicher Vielfalt ist kein bloßes Versäumnis, sondern kann im Alltag zu einer echten Barriere werden – und stellt letztlich eine Diskriminierung dar.

Zu dieser Einschätzung kam auch die Gleichbehandlungskommission in folgendem Fall: Eine Person wollte sich über ein Kontaktformular bei einem Fitnessstudio anmelden. Die Anmeldung war jedoch nicht möglich, da in einem Pflichtfeld das Geschlecht angegeben werden musste. Zur Auswahl standen ausschließlich die Optionen „männlich“ und „weiblich“ – keine davon entsprach dem nicht-binären Geschlecht der Person. Die Person hätte die Dienstleistung somit nur unter Angabe einer falschen Geschlechtsangabe in Anspruch nehmen können. Die Gleichbehandlungskommission stellte fest, dass eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts beim Zugang zu einer Dienstleistung nach dem Gleichbehandlungsgesetz (GlBG) vorliegt (GBK III/333/24).

Neben dem GlBG bieten auch datenschutzrechtliche Bestimmungen Schutz. So entschied zuletzt der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass die Verpflichtung zur Angabe von „Herr“ oder „Frau“ beim Online-Ticketkauf gegen die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) verstößt. Da diese Information für den Erwerb eines Tickets nicht erforderlich ist, widerspricht ihre Erhebung dem Grundsatz der Datenminimierung. Darüber hinaus sieht die DSGVO in Artikel 16 vor, dass unrichtige personenbezogene Daten (dazu gehören auch das Geschlecht und die Anrede) berichtigt werden müssen.

Die fehlende Berücksichtigung geschlechtlicher Vielfalt beschränkt sich jedoch nicht nur auf Formulare. Um den Kontakt zu Kund*innen zu personalisieren, verwenden Unternehmen oft geschlechtsspezifische Anreden wie z.B. „Sehr geehrter Herr“ oder „Sehr geehrte Frau“. Eine geschlechtsneutrale Alternative wäre etwa „Guten Tag Vorname Nachname“. Ist eine neutrale Anrede nicht wählbar oder wird aufgrund des Vornamens eine Anrede zugeschrieben, kann es zu Misgendering kommen. Wird das Geschlecht einer Person trotz Hinweises wiederholt missachtet, kann eine diskriminierende Belästigung im Sinne des Gleichbehandlungsgesetzes (§ 35 GlBG) vorliegen – auch dann, wenn die Kommunikation automatisiert erfolgt.

Die Gleichbehandlungsanwaltschaft (GAW) hilft Unternehmen bei der Gestaltung von diskriminierungsfreien Formularen für Kund*innen. Die dafür entwickelte Empfehlung der GAW kann kostenlos auf www.gleichbehandlungsanwaltschaft.gv.at heruntergeladen werden.

Personen, die aufgrund fehlender Möglichkeit zur korrekten Geschlechtsangabe oder Anrede diskriminiert werden, erhalten bei der GAW Unterstützung. Sie können mithilfe eines Musterschreibens, das auf der Website verfügbar ist, direkt Kontakt zu Unternehmen aufnehmen und sich auf das Gleichbehandlungsgesetz berufen. Wer Diskriminierung erlebt, kann sich auch direkt an die GAW wenden, kostenlos und vertraulich. Hier bekommen Personen rechtliche Beratung und Unterstützung. Eine erste Einschätzung kann auch online über die digitale Erstberatung auf der Website der GAW erfolgen.

Text von der Gleichbehandlungsanwaltschaft

Von Gastautor*in

Unter diesem Tag versammeln sich verschiedene Gastautor*innen der Lambda.