Unser Gesundheitssystem
Jeder Mensch benötigt irgendwann in seinem Leben medizinische Versorgung; von einfachen Besuchen bei praktischen ÄrztInnen* bis hin zu komplexen Operationen ist das medizinische Spektrum, mit dem ÄrztInnen* und Krankenhäuser behandeln, groß. Eben diese Behandlungsstätten sind die erste und oftmals auch letzte Anlaufstelle um diverse Leiden zu behandeln. PatientInnen* setzen ein außerordentlich großes Maß an Vertrauen in ÄrztInnen* und Pflegepersonal, besonders bei einer stationären Aufnahme in ein Krankenhaus. Den PatientInnen* bleibt in diesen Fällen nicht viel anderes übrig als darauf zu hoffen, dass man ihre Beschwerden ernst nimmt, sie als Personen respektiert und sie nach neuesten Erkenntnissen der Wissenschaft behandelt und pflegt. Umso erschreckender und trauriger ist es, dass gerade die queere Community nicht selten Anfeindungen, Abneigung und Ausgrenzung ausgesetzt ist.
Die UN-Menschenrechtscharta von 1984 legte einen Grundsatz fest, der wohl den meisten bekannt ist: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.“ Was eigentlich selbstverständlich sein sollte, wird leider in vielen Ländern der Welt nicht gelebt und auch in Österreich, einem Land in dem die Rechte von Frauen und queeren Menschen schon deutlich weiter fortgeschritten sind als in manchen anderen Ländern, kommt es immer wieder vor, dass genau dieser Grundsatz nicht vollkommen beachtet wird.
Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen setzen sich häufig selbst eine Leitlinie, anhand derer die Behandlung der Einrichtung orientiert sein soll. Hier zwei Beispiele dafür, wie diese aussehen können: Das AKH Wien schreibt auf seiner Website: „Im Mittelpunkt unserer Tätigkeit steht der Patient, seine Individualität und sein Wohlbefinden“; das Hanusch-Krankenhaus Wien schreibt über sich: „Das Menschenbild der Pflege ist stark von der Ganzheitlichkeit geprägt. Selbstbestimmung und Individualität haben einen hohen Stellenwert in der Planung, Koordination und Durchführung pflegerischer Maßnahmen, sowie in der Betreuung und Behandlung im multidisziplinären Team. […]“
Aber wird Individualität, insbesondere auch queere Einzigartigkeit, in der Praxis wirklich respektiert? Der LGBTIQ+ Gesundheitsbericht 2022 zeigte, dass sich 54% der befragten queeren Personen innerhalb der letzten 2 Jahre aufgrund ihrer sexuellen Orientierung, ihrer Geschlechtsidentität oder anderer Merkmale im Gesundheitsbereich selten bis häufig diskriminiert fühlten. Besonders häufig betroffen waren dabei inter* und trans* Personen. Gleichzeitig gaben nur 45% der cis Personen an, sich selten bis häufig im Gesundheitsbereich diskriminiert gefühlt zu haben.
Derartige Diskriminierung hat viele Gesichter. Im Gesundheitsbericht gaben TeilnehmerInnen* an, Abweisung und Behandlungsverweigerung, Druck, sich bestimmten Maßnahmen/Behandlungen zu unterziehen, unangebrachte Kommentare, Erniedrigung, Demütigung und Beleidigungen sowie Diagnosestellungen und Behandlungen, die ohne Zusammenhang mit deren eigentlichem gesundheitlichen Problem erfolgten, erlebt zu haben.
Welche Folgen hat das?
Derartige negative Erfahrungen durch Gesundheitsdienstleister können zu psychischer Belastung führen, die sich auch auf die körperliche Gesundheit auswirken und im schlechtesten Fall sogar den Krankheitsverlauf negativ beeinflussen kann.
Weiters kann sich so Unsicherheit oder gar Angst davor entwickeln, ÄrztInnen* oder Krankenanstalten aufzusuchen, was potenziell verheerende Folgen haben kann, wenn ein ernstes gesundheitliches Problem aufgrund dieser Angst erst zu spät untersucht, diagnostiziert und behandelt wird.
Alle Teilbereiche unseres Gesundheitssystems sind daher dazu angehalten, sich ihrer Verantwortung bewusst zu sein und einen diskriminierungsfreien Zugang zu gesundheitlicher Versorgung zu gewährleisten. Das Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz kündigte als Antwort auf den von ihnen in Auftrag gegebenen LGBTIQ+ Gesundheitsbericht 2022 kurz- und mittelfristig Sensibilisierungsprogramme für Gesundheitsberufe an. Umgesetzt wurde davon (soweit öffentlich ersichtlich) noch nichts.
Welche Rechte habe ich als PatientIn*? Wo kann ich mir Hilfe holen?
PatientInnen*-Rechte sind in Österreich gesetzlich geschützt und in einer Patientencharta zusammengefasst. In dieser finden sich etwa die Rechte auf Behandlung und Pflege, Achtung der Patientenwürde, Selbstbestimmung und Recht auf Information und Dokumentation. All diese Rechte hat jeder Mensch unabhängig von Alter, Geschlecht, Herkunft, Vermögen, Religion, Art oder Ursache der Krankheit.
Für Anliegen, insbesondere beim Verdacht auf fehlerhafte Behandlung oder Diskriminierung, gibt es in jedem Bundesland eine Patientenanwaltschaft. Diese sind zu Verschwiegenheit verpflichtet und stehen kostenfrei bereit um die Rechte von PatientInnen* in Krankenhäusern zu sichern. In den meisten Bundesländern befassen sie sich auch mit der Sicherung der Rechte bei niedergelassenen ÄrztInnen* und in Pflegeheimen/Pflege- und Betreuungszentren.
Auch in manchen Krankenhäusern und Krankenkassen gibt es eigene Ombudsstellen, die sich mit diesbezüglichen Beschwerden befassen. Viele Menschen nutzen die Möglichkeiten der Patientenanwaltschaften trotz deren niederschwelligen und kostenfreien Zugänglichkeit leider nicht. Wenn Missstände allerdings nie angesprochen werden, können diese auch nicht an den zuständigen Stellen aufscheinen, weshalb es für alle Betroffenen und potenziell zukünftigen Betroffene wichtig ist, diese Möglichkeit auch wirklich zu nutzen.
Hat ein/e PatientIn* in einem öffentlichen oder gemeinnützigen Krankenhaus einen Schaden erlitten, besteht eventuell die Möglichkeit auf eine finanzielle Entschädigung aus dem Patientenentschädigungsfonds. Die Patientenanwaltschaft führt in diesem Fall das Verfahren und es entstehen keine Kosten für den/die PatientIn*.