1. Juli, 00:01, der Pride-Monat ist vorbei. Die Firmengebäude nehmen Regenbogenflaggen herunter, die Social Media Accounts ändern ihr Profilbild zurück auf das Logo ohne Regenbogen, die Artikel mit aufgedruckten Regenbögen verschwinden aus dem Sortiment. Einen Monat lang profitieren und ein tolerantes, weltoffenes Firmengesicht zeigen, aber dann reichts auch wieder bis zum nächsten Sommer. Dieser umstrittene Trend nennt sich ‚Rainbow-Washing‘ und ist eine scheinbare Unterstützung der LGBTQ+ Community, meist zu Marketing- und PR-Zwecken, ohne konkrete Maßnahmen zur Antidiskriminierung oder unterstützende Forderungen zu etablieren. Klingt im ersten Moment sehr negativ, ist aber alles daran so schlecht?
Sichtbarkeit durch Massenkonsum
Denken wir etwas zurück, nicht einmal zehn Jahre: Gab es jemals eine Zeit, in der queere Sichtbarkeit auf irgendeine Art und Weise entstanden ist, die nicht der unermüdlichen Arbeit und dem Einsatz von queeren Aktivist*innen selbst zu verdanken ist? Gab es jemals eine Zeit, wo die Regenbogenflagge, oder sogar die Transflagge, auf Produkten abgebildet war, welche in Geschäften der Allgemeinheit (z.B. Supermärkte) zu erwerben waren? Denken wir zum Beispiel an Produkte wie den Lippenbalsam Labello, der mittlerweile in mehreren Pride-Designs verkauft wird, oder Nivea, welche eine Version der bekannten Cremedose mit der Regenbogen- und Transflagge aufgedruckt herausgebracht hat. Große Kleidungsunternehmen wie H&M, Calvin Klein, Versace oder Levi’s bringen Pride-Kollektionen auf den Markt, in denen Kleidungsstücke ein buntes Unternehmenslogo aufgenäht haben, oder auf denen bunten Elemente integriert sind. Kritik an Nivea und anderen Markenprodukten gibt es natürlich genug – aber für diesen Moment konzentrieren wir uns auf die Tatsache, dass queere Flaggen mittlerweile salonfähig genug geworden sind, um sie auf beliebten Markenprodukten aufzudrucken bzw. in etablierten Großkonzernen zu vermarkten.
Kommen wir zu einem weiteren Gedankenexperiment: Gehen wir davon aus, dass an einem Tag etwa 500 Kund*innen eine Drogerie besuchen, welche zum Beispiel den Labello mit Regenbogen-Designs verkauft. Pro Tag gehen also 500 Menschen jeglichen Alters, Herkunft, Sozialschicht und, am wichtigsten, jeglicher politischen Einstellung daran vorbei. Bei etwa 1500 Drogerien in Österreich, sind das etwa 187 Millionen Situationen pro Jahr, in denen diese Produkte gesehen werden könnten. Diese enorme Zahl gibt uns einen kleinen Einblick, wie gewaltig die Konsumgüterbranche ist, aber gleichzeitig auch, welchen gewaltigen Einfluss diese hat. Zusammenfassend könnte man nun überspitzt behaupten, dass allein die Existenz von Artikeln mit Pride-Aufdruck einen ganz besonderen Teil zur Sichtbarkeit von Queerness leistet – somit entsteht eine Art Symbiose (gegenseitiger Nutzen) zwischen den Unternehmen, die Profit machen wollen, und queeren Menschen, die von Sichtbarkeit profitieren.
Sichtbarkeit um jeden Preis?
Menschen kaufen gerne Dinge, welche sie repräsentieren – sei es eine Tasse mit der Lieblingsserie, eine Kette mit dem eigenen Sternzeichen, oder eben ein Produkt mit der Regenbogenflagge. Wäre es besser, wenn diese Produkte tatsächlich einen Mehrwert für die Community brächten? Natürlich. Langfristig gesehen muss sich etwas verändern, nur schön bedruckte Produkte werden auf Dauer nicht reichen. Kritik und Mahnung vor Rainbow-Washing sollten natürlich immer ausgesprochen werden. Aber: Diversitätsmanagement in Unternehmen ist mühsam und ein langer Weg. Die im Juni aufgehängte Regenbogenflagge zum Beispiel ist natürlich nur eine minimale Maßnahme, aber auf dieser minimalen Basis kann aufgebaut werden. Vielleicht reicht es dieses Jahr nur für die Flagge, aber nächstes Jahr gibt es eventuell eine Teilnahme an der Pride und wiederum im Jahr darauf möglicherweise eine Spendenaktion für eine queere Organisation. Wenn wir es schaffen, die Konsumbranche für queere Sichtbarkeit zu nutzen, dann können wir Schritt für Schritt viel erreichen.